14. Sepember: Gedenken an „Opfer des Faschismus“

16. September 2014

Der zweite Sonntag im September ist traditionell Anlass, die Opfer des Faschismus und die antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer zu ehren. In Erfurt sprachen auf Einladung der TVVdN/BdA der stellvertretende Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, Sandro Witt, und der stellvertretende TVVdN/BdA-Vorsitzende Paul Wellsow. Die Rede unseres stellvertretenden Vorsitzenden dokumentieren wir hier:

Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Genossinnen und Genossen!

Der zweite Sonntag im September, das ist traditionell Anlass, die „Opfer des Faschismus“ und die antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer zu ehren. Hier am Ehrenhain auf dem Erfurter Hauptfriedhof wollen wir ihnen heute in Würde gedenken.

Im Namen der „Thüringer Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes / Bund der Antifaschisten“ darf ich zuerst sehr herzlich Karl Metzner aus Erfurt begrüßen, der aktiven Widerstand gegen den deutschen Faschismus geleistet hat. Ich freue mich sehr, dass Sie heute hier sind! Ich begrüße auch sehr herzlich die anwesenden Angehörigen von Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern und Opfern des deutschen Faschismus!

Seit 1945 wird im September jeden Jahres den „Opfern des Faschismus“ gedacht, seit 1947 liegt der Termin auf dem zweiten Sonntag im September. Eine gute Tradition der Erinnerns und Ehrens, die bis heute an vielen Orten gepflegt wird.

Eine gute Tradition an diesem Datum war und ist es auch, dass die Ehrungen überparteilich angelegt sind. Denn eine Lehre aus dem deutschen Faschismus und dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus war und ist es, dass Antifaschistinnen und Antifaschisten zusammen stehen müssen – was auch immer sie in anderen politischen, kulturellen, religiösen oder lebensweltlichen Fragen trennt.

Daher freue ich mich, eine Reihe weiterer Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Organisationen, Institutionen und Parteien begrüßen zu dürfen: Herrn Beigeordneter Udo Götze für die Stadt Erfurt in Vertretung des Oberbürgermeister Andreas Bausewein, den Bundestagsabgeordneten der SPD Steffen Lemme, den stellvertretenden Vorsitzenden des DGB Bezirks Hessen-Thüringen Sandro Witt, den Vorsitzenden der Stadtratsfraktion DIE LINKE in Erfurt André Blechschmidt, Dr. Steffen Kachel für die Partei DIE LINKE Erfurt, die Erfurter Landtagsabgeordnete Karola Stange der Partei DIE LINKE, den SPD-Fraktionsvorsitzenden im Erfurter Stadtrat Frank Warnecke, Ute Hinkeldein vom Aktionskreis für Frieden und Günther Guttsche von der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft in Thüringen – sowie natürlich eine ganze Reihe von Kameradinnen und Kameraden der Thüringer Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes hier aus Erfurt.

Wir haben uns versammelt, um zu Gedenken und zu Ehren. Wir sind aber auch hier, um das antifaschistische Vermächtnis der Widerstandskämpfer ins Heute zu tragen, um die Mahnung der Opfer des Faschismus nicht ungehört verklingen zu lassen.

Wir können nur hoffen, dass heute Abend bei der Auszählung der Landtagswahl bei der Neonazi-Partei NPD keine 5 vor dem Komma steht – und sie nicht in den Thüringer Landtag einzieht. Die letzten Umfragen geben nicht unbedingt sichere Entwarnung – auch wenn ich vorsichtig optimistisch bin, dass uns Nazis im Landtag auch dieses Mal erspart bleiben.

Aber auch ohne NPD im Landtag gilt es weiterhin, gegen Neonazi-Gewalt – auch hier in Erfurt -, gegen Rassismus, gegen Nazi-Treffpunkte, gegen Rechtsrock-Konzerte mitten in einem Erfurter Wohngebiet, gegen Antisemitismus und andere Formen der Diskriminierung aktiv zu sein. Wir alle wissen, wie groß das Potential an rechten Einstellungen in dieser Gesellschaft weiterhin ist. Und ein Teil dieses Potentials macht heute sein Kreuz bei einer Partei, die man als rechtspopulistisch charakterisieren muss – einer Partei, die wahrlich keine Alternative ist, deren Politik einzig aus Ressentiments, antieuropäischem Geist und Deutschtümelei besteht. Sie wird mit großer Sicherheit heute in den Thüringer Landtag gewählt werden.

Nie Wieder! Das ist die Botschaft, die vom heutigen Tag ausgehen muss. Nie wieder Faschismus. Und nie wieder Krieg! Doch der Blick in andere Staaten Europas zeigt: Parteien der extremen Rechten und des Revisionismus gelangen wieder in Regierungsämter, zum Beispiel in Ungarn. Oder sie erreichten bei nationalen Wahlen erschreckend hohe Wahlergebnisse – ich nenne den „Front National“ in Frankreich.

Aber auch der Krieg rückt wieder näher: und dass nicht nur im Nahen Osten. Auch weniger Weit weg, in der Ukraine: Aus diesem Grund möchte ich aus einem aktuellen Aufruf zitieren, dem „Aufruf zur Versöhnung zwischen Ukrainern und Russen. Friedensappell ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener“, gemeinsam verfasst von Veteranen der Roten Armee aus Russland und der Ukraine, die gemeinsam im zweiten Weltkrieg gegen den Faschismus gekämpft haben:

Es heißt darin: „Wir Veteranen der Roten Armee gerieten als Frontkämpfer in deutsche Gefangenschaft. Wir sind Überlebende eines Menschheitsverbrechens, dem über drei Millionen unserer Kameraden zum Opfer fielen. Wir überlebten, weil wir solidarisch waren. Russen, Belorussen, Ukrainer, Kaukasier, Mittelasiaten teilten das gleiche Schicksal in den Lagern der Wehrmacht und halfen sich brüderlich. Wir alle riefen nach der Befreiung dasselbe: NIE WIEDER KRIEG! Es ist eine einfache Lehre, die wir aus unserer harten Lebensgeschichte ziehen: Nationaler Egoismus, Nationalismus ist die Keimzelle des Unfriedens zwischen Nachbarvölkern.“

Und weiter: „Wir sowjetischen Kriegsveteranen glaubten nach der Befreiung, alle Bürgerinnen und Bürger unserer multinationalen Union hätten als Überlebende und Besieger des faschistischen Terrors umso mehr gelernt. Unvorstellbar war der Gedanke, dass sich dereinst unsere Völker in Hass und nationalem Dünkel gegenüber stünden. (…) Die Medien beider Länder nennen die einen „Terroristen“, die andern „Faschisten“. Besinnt Euch! Erstickt Euren Hass, redet miteinander statt aufeinander zu schießen! Blickt zurück: Krieg und Stalinismus belasteten Russen und Ukrainer gleichermaßen. Die Nazis wollten uns gegeneinander hetzen, um beide Seiten besser zu beherrschen. Wo es ihnen gelang, floss auf beiden Seiten Blut. Ihr jungen Leute mit der Kalaschnikow in ungeübter Hand, respektiert Eure Großväter, die mit ihrer Waffe einen wirklichen Feind vertrieben. Hört auf uns, die in faschistischen Lagern das wenige Brot miteinander teilten. Benehmt Euch wie Mitglieder einer Familie, in der man sich streitet im Bewusstsein gegenseitigen Respekts und sich wieder verträgt. Macht endlich Frieden miteinander!“

„Ehrendes Gedenken dem Antifaschistischen Widerstand und den Opfern des Naziregimes“ und: „Im ehrenden Gedenken an die durch den Faschismus in den Jahren 1933 – 1945 ermordeten jüdischen Bürger der Stadt Erfurt“ – das steht hier am Ehrenhain auf dem Erfurter Friedhof. Das soll auch unser Anliegen hier und heute sein – 81 Jahre nach der Machtübertragung an die NSDAP, 75 Jahre nach dem Überfall der faschistischen Wehrmacht auf Polen und dem Beginn des 2. Weltkrieges und 69 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus:

In Erinnerung an die Opfer des Faschismus und an die antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und -kämpfer und aus Respekt für die Überlebenden bitte ich Sie und bitte ich Euch um eine Schweigeminute.