Gedanken zum Volkstrauertag

28. November 2014

Am Vorabend des Volkstrauertages beteiligte sich unsere Vorsitzende, Elke Pudszuhn, mit einem Redebeitrag an der antifaschistischen Demonstration gegen den Volkstrauertag, die deutsche Gedenkpolitik und den Naziaufmarsch am Tag darauf in Friedrichroda. Ihren Beitrag, der im Rahmen einer Auswertung der antifaschistischen Aktionswoche auf dem Portal der Antifaschistischen Gruppen Südthüringen (AGST) veröffentlicht worden ist, dokumentieren wir hier:

Man muss schon in die Geschichte dieses Tages schauen, um deren Werdegang zu begreifen. 1926 für kapitalistische Interessen geopferte Soldaten auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges ins Leben gerufen, war dieser Tag in der Weimarer Republik nie ein gesetzlicher Feiertag. 1934 wurde der Tag zum Heldengedenktag umbenannt und ab 1939 dem Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht am 16. März begangen. Ab 1952 findet in Abgrenzung zum Heldengedenktag aus der Nazizeit, der sogenannte Volkstrauertag in der alten Bundesrepublik am Ende des Kirchenjahres im November statt. In der DDR wurde dieser Tag nie begannen, aus gutem Grunde.

Nun wird seit 1990 der „Toten zweier Weltkriege an den Fronten und in der Heimat und an die Opfer der Gewaltherrschaften aller Nationen“ gedacht. Wo keine alten Kriegerdenkmäler auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bestanden, wurden neue in den Orten errichtet, um auch der „Opfer der DDR und des Stalinismus“ am sogenannten Volkstrauertag zu gedenken. Und man bezieht in den Reden bereits die für deutsche Interessen umgekommenen Bundeswehrsoldaten ein, aber nicht die, die durch deutsche Beteiligung an den Kriegen in der Welt umgekommene Zivilbevölkerung, darunter viele unschuldige Kinder.

Nun wird bei Potsdam ein neuer Gedenkplatz für „gefallene“ Bundeswehrsoldaten, es sind seit 1990 100, die meisten in Afghanistan umgekommen, geschaffen. Die Verwischung der Grenzen zwischen Opfer und Täter-innen, der verharmlosende Vergleich von DDR und Naziregime sollen Ursache und Wirkung von Krieg und Völkermord verschleiern. Gedenken ist allgegenwärtig und während das Erinnern an Ereignisse der Geschichte genau diese lebendig erhalten und sich durch Analyse des Vergangenen Perspektiven für das Kommende ergeben können, wird innerhalb der offiziellen Gedenkpolitik häufiger Geschichte an das bestehende angepasst, als an sie erinnert und kritisch reflektiert. Die Deutung über die Geschichte ist ein wichtiges Element herrschender Politik.

Geschichtsdeutungen und -politik ist aber auch ein Feld, dessen sich traditionell auch Nazis annehmen. Neben dem Volkstrauertag ist es besonders der 13. Februar in Dresden, an dem ein „Trauermarsch“ stattfindet, mit dem die Nazis der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gedenken. Der bürgerliche Protest dagegen versteht sich zwar als antifaschistisch, unterstützt aber dennoch den Opfermythos. Diese Deutung der Geschichte ist Ausdruck kollektiver Erinnerungspolitik, die durch ein breites bürgerliches Spektrum getragen wird, während linke antifaschistische Proteste jedes Jahr starker Repressionen ausgesetzt sind. Das zeigen die Prozesse gegen Pfarrer König aus Jena, Terra und Heiner Fink aus Berlin oder gegen Bodo Ramelow.

Meine Solidarität gilt allen antifaschistischen Kämpfern im Hier und Heute. Anlässlich des dritten Jahrestages der Enttarnung der rechten Terrorgruppe NSU am 4. November 2011 in Eisenach forderte ich in einer Presseerklärung die Landesregierung auf, endlich konkrete Schritte für die Errichtung eines Gedenkortes für die Opfer des NSU zu unternehmen. Es ist beschämend, dass auch drei Jahre nach dem Auffliegen des NSU in Thüringen noch immer kein Gedenkort für die Opfer des NSU existiert. In anderen Bundesländern gibt es bereits Denkmäler, teils wurden sogar Straßen und Plätze nach Opfern der Nazi-Mörder benannt. Doch in Thüringen, dem Entstehungsort des NSU gibt es seitens der CDU geführten Landesregierung bisher nicht mal konkrete Pläne für einen Gedenkort an die Opfer. Es wird Zeit, dass etwas geschieht! Eine neue Landesregierung muss umgehend aktiv werden, um auch hier einen Ort zu schaffen, der an die Opfer des Terrors und an die Mitverantwortung der Thüringer Politik und Behörden erinnert.

Aufklärung und Erinnern gehören zusammen. Im kommenden Jahr beginnt das offizielle Gedenken am 27. Januar mit dem Tag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee vor 70 Jahren und setzt sich fort mit dem Erinnern an die Befreiung der Städte und Dörfer in Deutschland sowie der Befreiung der Häftlinge aus den KZ`s, Zuchthäusern und Gefängnissen bis hin zum 8. Mai. Würden die Abgeordneten des Bundestages endlich den 8. Mai als Tag der Befreiung als gesetzlichen Gedenktag einführen, könnte der verlogene Volkstrauertag wegfallen. Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung Europas von der Barbarei, gedenken wir der Opfer des Faschismus: das ist der Tag, an dem wir uns tief verneigen vor den Soldaten der Anti-Hitler-Koalition, vor den Partisanenund Kämpfern des illegalen Widerstandes, vor den Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen und Wehrmachtsdeserteuren. An dem wir uns ehrfurchtsvoll verneigen vor den 11 Millionen in den KZ`s, Zuchthäusern und Folterkammern der Gestapo bestialisch Ermordeten, vor jenen, welche die Hölle überlebten und am 8. Mai schworen:
NIE WIEDER FASCHISMUS – NIE WIEDER KRIEG!

An dem wir uns in besonderer Dankbarkeit verneigen vor dem sowjetischen Volk und seiner Roten Armee- vor dem Land, das die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus trug, an dem wir unsere unbeschreibliche Abscheu vor dem Rassenwahn der Nazis, dem 6 Millionen Juden und 600000 Sinti und Roma zum Opfer fielen, und wir vergessen nicht die Missbrauchten: nicht jene,die Hitler hinterher liefen, ihn zumindest tolerierten und die – ihm dienend – für deutsche Kapitalinteressen krepierten. 6 Millionen Deutsche fielen oder starben im Bombenhagel oder auf der Flucht.

Doch erinnern allein genügt nicht, wir müssen mit Brechts Worten sagen: „Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“! Deshalb treten wir weiterhin für die Erfüllung des Schwurs ein, den die Überlebenden am 19.4.1945 auf der Totenfeier des selbst befreiten KZ Buchenwald leisteten: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“.

Ich lade euch heute schon ein, am 11./12. April 2015 an den Befreiungsveranstaltungen und Begegnungen mit Zeitzeugen teilzunehmen und den Schwur zu erneuern. Das sind wir allen Ermordeten und Geschundenen schuldig; alles zu tun, ihren Kampf für eine friedliche Welt fortzusetzen und gegen Neonazismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Völkerhass einzustehen.