Gedenkworte aus Anlass des 70. Jahrestages der Hinrichtung Theodor Neubauers
12. Februar 2015
Wir dokumentieren die Rede unserer Landesvorsitzenden Elke Pudszuhn anlässlich des 70. Jahrestages der Hinrichtung Theodor Neubauers. Hierzu fanden Gedenkveranstaltungen am 5. Februar 2015 in Erfurt und in Tabarz statt.
„Ob wir überleben
ist weder sicher noch die Hauptsache.
Wie man später von uns denken wird,
ist so wichtig wie,
dass man an uns denken wird.
Darin liegt die Zukunft.
Danach müssen wir hier leben,
solange wir atmen.
Ein Deutschland, das an uns denkt,
wird auch ein besseres Deutschland sein.“
Mit diesen Worten und im Sinne von Carl von Ossietzky, selbst Häftling im KZ Sonnenburg und Esterwegen und 1935 hat er den Friedensnobelpreis trotz aller faschistischer Schikanen und Folter erhalten, möchte ich an das Leben und Wirken von Theo Neubauer erinnern, denn aus der Geschichte lernen, in der Gegenwart wirken, die Zukunft gestalten ist Erinnern – Gedenken – Mahnen unverzichtbar.
Was hat Theo Neubauer mit mir und meiner Familie zu tun. Theo hatte von 1933 – 1939 bereits Zuchthaus Brandenburg, KZ Lichtenburg und Buchenwald hinter sich. Meine Eltern und Magnus Poser KZ Bad Sulza und Gefängnisstrafe „abgesessen“, als es Magnus Poser trotz polizeilicher Überwachung gelang, eine Widerstandsorganisation in Jena zu etablieren und Verbindungen zu vielen Orten, auch nach Zella – Mehlis zu meinen Eltern, aufzubauen. Sie besuchten sich gegenseitig nach der Haftentlassung mal in Jena, mal in Zella – Mehlis.
Eines Tages kam Magnus zu meinen Eltern und sagte: „Ich habe die Verbindung zu Theo herstellen können“, jetzt sind wir breiter vernetzt“. Das war 1941, als die illegale Zusammenarbeit begann und 1942 entwickelte die Neubauer – Poser – Gruppe direkte und indirekte Kontakte zu anderen Widerstandsorganisationen in Deutschland bis hin zur militärischen Opposition um Claus Graf von Stauffenberg und dem Kreisauer Kreis. Beim letzten Treffen Posers zu Pfingsten 1944 in Zella – Mehlis übergab Magnus die letzten Flugblätter von Theo. Es war das Flugblatt „Brief an die gefangenen Rotarmisten, Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen“ in russischer Sprache, die Magnus in einem von ihm gefertigten Tablett versteckt hatte. Die Flugblätter wurden illegal an die in den vor allem in Waffenfabriken tätigen Gefangenen verbreitet.
Am 14. Juli 1944 wurden Theo in Tabarz und Magnus in Jena verhaftet, das wussten aber beide voneinander nicht, da für Theo die Gestapo aus Berlin kam und Magnus ins berüchtigte Gestapogefängnis nach Weimar verbracht wurde. Bei Theo war es so, dass der Kurier, der ihn von der bevorstehenden Verhaftung durch die Gestapo warnen sollte, sich verspätete und die Gestapo vor ihm in Tabarz eintraf.
Bei einem Treffen, sagte Magnus mal zu meinen Eltern, wenn sie mich wieder „schnappen“, setzte ich alles auf eine Karte. Magnus wusste, dass die Gestapo von ihm unter allen Umständen ein Geständnis abpressen wollte. Um dieser Gefahr zu entgehen, unternahm er in der Nacht vom 20. zum 21. Juli 1944 einen Fluchtversuch, bei dem er von mehreren Schüssen getroffen, schwer verletzt aufgegriffen wurde. Die Gestapo transportierte ihn ins Krankenrevier des KZ Buchenwald, wo die Gestapo mit dem Verhör begann. Auf die drängenden Fragen des Gestapo-Mannes antwortete Magnus für alle gut vernehmbar: „Grüßt mir meinen Freund Theo Neubauer!“
Danach wurde er operiert, verstarb aber an den Folgen seiner schweren Schussverletzungen. Seinem Schweigen verdanken viele Antifaschisten ihr Leben.
Seine Frau Lydia fuhr über Zella – Mehlis zu ihren Angehörigen nach Goldlauter bei Suhl, um sie vom Tod ihres Mannes zu unterrichten, dabei traf sie sich mit meiner Mutter, um ihr ebenfalls diese Nachricht zu überbringen mit dem Auftrag, sofort die illegalen Verbindungsleute zu informieren.
Mein Vater wurde im Rahmen der „Aktion Gitter“, die nach dem missglückten Hitlerattentat anlief, am 20. August 1944 ins KZ Buchenwald verbracht.
Theo wurde am 8. Januar 1945 zum Tode verurteilt und am heutigen Tag vor 70 Jahren in Brandenburg enthauptet. Bis zur Befreiung des KZ Buchenwald am 11. April und der endgültigen Befreiung von Faschismus und Krieg am 8. Mai 1945 gaben noch Millionen ihr Leben. In Deutschland erlebten in erster Linie die überlebenden Verfolgten und Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen diesen Tag als Befreiung.
Aber auch wir alle, die wir heute leben, verdanken die Grundlagen unseres Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegern des 8. Mai. Wir wissen, dass die Früchte des 8. Mai gefährdet sind. Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus sowie Islamfeindlichkeit – alle möglichen Ideologien zur Begründung von Ungleichheit und gesellschaftliche Ausgrenzung haben heute Hochkonjunktur. Dem müssen wir gemeinsam entgegen treten und nicht Pegida, Sügida, wie sich auch nennen, die Straßen und Plätze für ihre Hassparolen überlassen. Den Überlebenden von Faschismus und Krieg macht das Angst, wie ich das aus Gesprächen weiß. Das kann ich gut verstehen, haben sie es doch am eigenen Leibe erlebt, wohin das führen kann.
Deshalb bleibt der Schwur der 21.000 überlebenden Häftlinge von Buchenwald vom 19. April 1945 auf dem Appellplatz mein Credo: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“. Da gibt es für uns noch viel zu tun, denn der Schwur ist noch nicht erfüllt.
Gedenkveranstaltung am 5. Februar 2015 in Erfurt