13. September: Gedenken an „Opfer des Faschismus“ und antifaschistische Widerstandskämpfer

20. September 2015

Der zweite Sonntag im September ist traditionell Anlass, die Opfer des Faschismus und die antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer zu ehren. Auch 2015 fanden in mehreren Städten Thüringens unter der Beteiligung der TVVdN/BdA Gedenkveranstaltungen statt, unter anderem in Erfurt, Suhl und Arnstadt. Am Ehrenhain auf dem Erfurter Friedhof sprachen auf Einladung der TVVdN/BdA der Bundestagsabgeordnete Steffen Claudio Lemme (SPD) und der stellvertretende TVVdN/BdA-Vorsitzende Paul Wellsow. Die Rede unseres stellvertretenden Vorsitzenden dokumentieren wir hier:

Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kameradinnen und Kameraden und liebe Genossinnen und Genossen,

der zweite Sonntag im September, das ist traditionell Anlass, die „Opfer des Faschismus“ und die antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer zu ehren. Hier am Ehrenhain auf dem Erfurter Hauptfriedhof wollen wir ihnen heute in Würde gedenken.

Im Namen der „Thüringer Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes / Bund der Antifaschisten“ begrüße ich zuerst sehr herzlich Karl Metzner aus Erfurt. Er hat aktiven Widerstand gegen den deutschen Faschismus geleistet. Ich freue mich sehr, dass Sie heute hier sind! Ich begrüße auch die anwesenden Angehörigen von Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern und Angehörige von Opfern des Faschismus herzlich!

Seit nun 70 Jahren, seit 1945, wird alljährlich im September den „Opfern des Faschismus“ gedacht. Seit 1947 liegt der Termin auf dem zweiten Sonntag im September. Eine gute Tradition der Erinnerns und Ehrens, die bis heute an vielen Orten gepflegt wird. Das Jahr 2015 ist dabei für das Gedenken ein besonderes Jahr. Ich will in diesem Zusammenhang hier nur einige Daten nennen: Am 27. Januar war der 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslager Ausschwitz durch die „Rote Armee“, am 7. April jährte sich die Befreiung des KZ Wiesengrund durch die französische Armee, am 11. April die Befreiung Buchenwalds durch die US-Truppen nachdem bereits in den Tagen zuvor die Häftlinge selbst gegen die Bewacher revoltiert und ihre Selbstbefreiung begonnen hatten, am 12. April die Befreiung des KZ Westerborg in den Niederlanden durch die kanadische Armee und am 15. April die Befreiung von Bergen-Belsen durch britische Truppen. Und natürlich – der 8. Mai als „Tag der Befreiung“ – ein Datum, dass nun auch in Thüringen zum gesetzlichen Gedenktag werden wird. Gerade die Debatte um den 8. Mai hier in Thüringen hat in den letzten Monaten klar gemacht, wie wichtig das Gedenken und das Erinnern an die historischen Fakten ist – leider haben zu viele vergessen, was war. Noch immer werfen einige Menschen längst überwunden geglaubte Stichworte, wie die einer angeblich „sauberen Wehrmacht“, in die Debatten.

Eine gute und notwendige Tradition des Gedenkens an die Opfer des Faschismus war und ist es, dass die Ehrungen überparteilich angelegt sind. Denn eine Lehre aus dem deutschen Faschismus und dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus war und ist es, dass Antifaschistinnen und Antifaschisten zusammen stehen müssen – was auch immer sie in anderen politischen, kulturellen, religiösen oder lebensweltlichen Fragen trennt. Daher freue ich mich sehr, eine Reihe von Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Organisationen, Institutionen und Parteien begrüßen zu dürfen – und bitte entschuldigen Sie, wenn ich nicht alle nenne. Für die Stadt Erfurt – auch ausdrücklich in Vertretung für Oberbürgermeister Andreas Bausewein – Frau Kathin Hoyer, Beigeordnete für Wirtschaft und Umwelt der Stadt Erfurt. Die Mitglieder des Erfurter Stadtrates und Mitglieder des Thüringer Landtages Karola Stange (DIE LINKE), Birgit Pelke (SPD) und Frank Warnecke (SPD) – außerdem die Stadträte Reinhard Duddek (DIE LINKE) und Rüdiger Bender (Bündnis90/Die Grünen).

Besonders begrüße ich in diesem Jahr Steffen Claudio Lemme, Bundestagsabgeordneter der SPD. Du warst ja auch in den vergangenen Jahren als Teilnehmer beim jährlichen Gedenken hier auf dem Friedhof – dieses Jahr konnten wir dich gewinnen, die Rede hier zu halten. Herzlich willkommen und vielen Dank für dein Kommen!

„Ehrendes Gedenken dem Antifaschistischen Widerstand und den Opfern des Naziregimes“ und: „Im ehrenden Gedenken an die durch den Faschismus in den Jahren 1933 – 1945 ermordeten jüdischen Bürger der Stadt Erfurt“ – das steht hier am Ehrenhain auf dem Erfurter Friedhof. Das soll auch unser Anliegen hier und heute sein. Wir sind aber auch hier, um das antifaschistische Vermächtnis der Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer ins Heute zu tragen, um die Mahnung der Opfer des Faschismus nicht ungehört verklingen zu lassen.

Fast jeden Morgen lesen wir in diesen Tagen von Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte – oder Häuser, allein deren Nutzung als Unterkunft für Geflüchtete geprüft wird. Menschen werden aufgrund ihrer Herkunft attackiert, und zugleich müssen wir in einigen Landesparlamenten die Reden geistiger Brandstifter hören, die sich nicht um eine Willkommens-Kultur für Menschen und um Integration bemühen, sondern die alles tun, um Öl ins Feuer zu gießen. In Mecklenburg-Vorpommern ist das die NPD, hier in Thüringen ist es derzeit die AfD. Die Unterschiede, die es gab, verwischen zunehmend.

Ich denke, es ist eine unserer Aufgaben, im Alltag rassistischen Ressentiments zu widersprechen. Überall dort, wo Neonazis aufmarschieren, Protest und Widerstand zu organisieren. Und zugleich Mitmenschlichkeit, Humanität und Hilfe für Menschen in Not zu organisieren. Dass, was wir in den letzten Tagen erlebt haben, macht Mut. Die Begrüßung von Geflüchteten am Bahnhof von Saalfeld durch Hunderte Menschen und Vertreter der Landesregierung und die Soforthilfe mit Lebensmitteln, Decken und Getränke. Oder die hunderten Kisten und Tüten mit gespendeter Kleidung, mit Kinderspielzeug, mit dem Bedarf des Alltags durch Menschen und die vielen Freiwilligen die Betten aufbauen, mit Kindern Fußball spielen, übersetzen oder Tipps für ein Leben hier in Deutschland geben. Offenbar gibt es beides in diesen Tagen: eine akute Bedrohung von Rechts, der wir uns offensiv entgegen stellen müssen – und eine überraschende, immense Bereitschaft zu helfen, und so ganz praktisch zu zeigen: Flüchtlinge sind hier willkommen.

Ich möchte Sie, ich möchte Euch in Erinnerung an die Opfer des Faschismus und an die antifaschistischen Widerstandskämpferinnen und -kämpfer und aus Respekt für die Überlebenden um eine Minute des Schweigens bitten.

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