Erinnerung an den Widerstandskämpfer Magnus Poser zum 70. Todestag

7. Juli 2014

Von Elke Pudszuhn, geborene Raßmann

Magnus Poser wurde am 26. Januar 1907 in Jena als viertes Kind des Zimmermanns Albin Poser und seiner Frau Klara geboren. Die Not der Familie zwang die Kinder während ihrer Schulzeit bereits zum mitverdienen, so das Magnus als Botenjunge bei einem Feinkostgeschäft in Jena Waren an die Kunden auslieferte. Nach dem Besuch der Grundschule 1921 erlernte er den Beruf eines Tischlers, den er im April 1925 als Tischlergeselle erfolgreich beendete. Die Lehrjahre waren für Magnus auch die Zeit der politischen Erziehung. Er wurde 1921 Mitglied des Deutschen Holzarbeiterverbandes, beteiligte sich aktiv an der Gewerkschaftsarbeit, besuchte Jugendversammlungen und kam so mit Mitgliedern der Kommunistischen Partei in Verbindung. 1923 wurde er in den Kommunistischen Jugendverband aufgenommen und in der Wanderorganisation „Naturfreunde“ nutzte er die Gelegenheit zu politischen Gesprächen. Mit dem Gesellenbrief in der Tasche wurde er erstmals arbeitslos und entschloss sich mit einem Jugendfreund auf „Walze“ zu gehen, aber auch in der Schweiz, Österreich, Ungarn und in der Tschechoslowakei fand er keine feste Anstellung, sodass er im September 1926 nach Jena zurückkehrte, wo sich an diesem Zustand nichts geändert hatte. Gemeinsam mit dem Jungkommunisten Paul Krahn entschied er sich deshalb, nach dem Vorbild anderer Jugendlicher über Skandinavien in die Sowjetunion einzureisen und dort ein Arbeiter-Studium aufzunehmen. Das Vorhaben scheiterte, doch diese Reise, die im November 1927 endete, veränderte Posers politisches Bewusstsein nachhaltig und bestimmten seine Entscheidung, Anfang 1928 der KPD beizutreten. Zugleich begann er, sich verstärkt mit theoretischen Fragen des Marxismus zu beschäftigen und sein Wissen an andere weiter zu vermitteln, ob innerhalb der KPD, im Proletarischen Freidenkerverband, bei den „Falken“ oder im RFB und der „Einheit“ (Tarnorganisation des verbotenen RFB).
Von der ersten Stunde des sich formierenden faschistischen Herrschaftssystems an gehörte er zu den entschiedensten Gegnern der Naziregimes. Gemeinsam mit anderen Jenaer Kommunisten, wie Lydia Orban- seine spätere Ehefrau-, Kurt Töpfer und Willi Gebhardt beschlossen sie, als illegale Gruppe aktiven Widerstand zu leisten, organisatorische Strukturen zu erhalten oder neu aufzubauen, Solidarität über die verbotene Rote Hilfe mittels fortgesetzter Beiträge zu organisieren, Losungen und Flugblätter gegen den Faschismus herzustellen und zu verbreiten. Ein eingeschleuster Spitzel der Gestapo, der als Bezirkskurier der KPD tätige Erich Thieme aus Erfurt, verriet über 200 Genossinnen und Genossen aus ganz Thüringen, darunter auch meine Eltern- Hans und Else Raßmann aus Zella-Mehlis, die alle in das erste KZ in Thüringen nach Bad Sulza in „Schutzhaft“ genommen wurden. Im KZ Bad Sulza lernten meine Eltern Magnus und Lydia kennen. Lydia war mit meiner Mutter in einer Zelle in der sogenannten Frauenabteilung und wusste, dass meine Eltern bei den Verhören die Aussagen verweigert hatten und man ihnen mit „dauernder Schutzhaft“ drohte.
Über den Austausch von Kassibern zwischen meinem Vater und meiner Mutter, die Magnus über Lydia organisierte, ist es ihnen gelungen ihre Aussagen vor den Vernehmern abzustimmen und das Strafmass zu verringern. Auf diesem Wege wurden auch Informationen über politische Ereignisse und über Zu- und Abgänge aus dem KZ weitergeleitet. Magnus Poser gehörte im KZ zur illegalen Parteileitung und er unternahm alles, um den Gefangenen Mut und Zuversicht zu geben, Solidarität zu üben, was viele Inhaftierte später bestätigten.
Von der Verhaftung im November 1933 bis zur Verurteilung im April 1934 vor dem Oberlandesgericht Jena wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ im KZ Bad Sulza, mussten sie nun ihre Haftstrafen (Magnus P. 2 J. 3 Mon. Lydia 2 J. Hans 2 J. 3 Mon., Else 2 J.) absitzen. Poser und Raßmann kamen in das Landesgefängnis Ichtershausen, die Frauen in das Frauengefängnis Gräfentonna und danach nach Hohenleuben.
Auch im Gefängnis Ichtershausen entwickelte Magnus mit anderen Kameraden unter den politischen Gefangenen ein solidarisches Netzwerk, in dem Informationen ausgetauscht und Hafterleichterungen für schwächere Häftlinge organisiert wurden.
Nach der Entlassung aus den Gefängnissen heirateten Magnus und Lydia im September 1936, zwei Jahre später kam Tochter Ruth zur Welt.
Beide kannten sich schon lange aus gemeinsamer politischer Arbeit. Lydia Orban (1909-1984) entstammte einer klassenbewussten Arbeiterfamilie aus Heidersbach, die aber seit 1912 in Jena lebte.
Für beide stand die Fortsetzung ihres Widerstandes gegen das Naziregime auch nach der Haftentlassung außer Frage. Die veränderten Verhältnisse verlangten jedoch auch eine neue Form und Richtung des illegalen Widerstandes. Sie standen unter Beobachtung und mussten sehr umsichtig wieder Kontakte knüpfen.
Es gehört zu den großartigen Leistungen Posers, dass es ihm trotz Haft und polizeilicher Überwachung gelang, eine Widerstandsorganisation in Jena zu errichten und Verbindungen zu vielen Orten, auch nach Zella-Mehlis zu meinen Eltern aufzubauen.
1941 begann die illegale Zusammenarbeit mit Theo Neubauer und ab 1942 entwickelte die „ Neubauer-Poser-Gruppe“ direkte und indirekte Kontakte zu anderen Widerstandsorganisationen in Deutschland bis hin zur militärischen Opposition um Claus Graf Schenk von Stauffenberg und dem Kreisauer Kreis.
Beim letzten Treffen Posers in Zella-Mehlis zu Pfingsten 1944 übergab Magnus die letzten Flugblätter „Brief an die gefangenen Rotarmisten, Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen“ in russischer Sprache, die er in einem von ihn gefertigten Tablett versteckt hatte, zur Verteilung mit. Am 14. Juli 1944 wurden Magnus und Lydia Poser verhaftet und in das berüchtigte Weimarer Gestapo-Gefängnis im Marstall eingeliefert, ebenso Theo Neubauer. Lydia kam nach zwei Tagen wieder frei und konnte alle Verbindungsleute zu den Gruppen in Thüringen von der Verhaftung in Kenntnis setzen und warnen. Poser wusste, dass die Gestapo ihm unter allen Umständen ein Geständnis abpressen wollte. Um dieser Gefahr zu entgehen, unternahm er in der Nacht vom 20. zum 21. Juli 1944 einen Fluchtversuch, bei dem er von mehreren Schüssen getroffen und schwer verletzt aufgegriffen wurde. Die Gestapo transportierte ihn ins Krankenrevier des KZ Buchenwald, wo die Gestapo mit einer Befragung begann. Auf die drängenden Fragen des Gestapo-Mannes antwortete Poser für alle gut vernehmbar: „Grüßt mir meinen Freund Theo Neubauer!“ und „Ihr Lumpen, ihr sitzt auf einem sterbenden Ast. Wir sind doch die Stärkeren und bald ist es mit Euch zu Ende“. Danach wurde er operiert, verstarb aber an den Folgen seiner schweren Verletzungen am 23. Juli 1944.
Viele Antifaschisten verdanken Magnus Poser und seinem mutigen Schweigen ihr Leben. Er kämpfte gegen den Hitlerfaschismus, erwies sich im illegalen Widerstand als ausgezeichneter Organisator und hatte durch seinen lauteren Charakter viele Freunde, nicht nur unter den Genossen. Er opferte sein Leben für ein neues Deutschland ohne Faschismus, das verdient unsere uneingeschränkte Achtung.
In den ehemaligen Bezirken Thüringens – Erfurt, Gera, Suhl – gab es zahlreiche Kollektive in der Industrie, Landwirtschaft, Volksbildung, bewaffneten Organen, FDJ, Jungen Pionieren, Sportbund, die seinen Namen trugen und nach 1990 eliminiert wurden.
Die Magnus-Poser-Schule in Zella-Mehlis heißt jetzt Heinrich-Ehrhardt-Gymnasium, aber im „Volksmund“ bleibt es immer die „Poserschule“, wenn die Rede darauf kommt.
Und mit etwas Stolz kann ich sagen, dass die Anwohner der Magnus-Poser-Straße in Zella-Mehlis sich ihren Straßennamen nicht nehmen ließen, deshalb gibt es heute noch eine Magnus-Poser-Straße, Theo-Neubauer-Straße und Karl-Zink-Straße.

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Bild: links stehend Magnus Poser, davor sitzend seine Frau Lydia, daneben Tochter Ruth, mein Bruder Rolf, ich auf dem Arm meines Vaters, davor meine Mutter. Pfingsten 1944 im Hof unseres Hauses, Schönauer Straße 59.

Am 21. Juli um 10 Uhr findet am Grab von Magnus Poseer auf dem Nordfriedhof in Jena eine Gedenkveranstaltung zu Posers Ehren und Erinnerung statt. Es spricht Elke Pudszuhn, Landesvorsitzende des TVVdN/BdA, Tochter der Kampfgefährten Magnus Posers, Hans und Else Raßmann.