8. Mai: Gedenken am Sowjetischen Ehrenmal in Erfurt

12. Mai 2016

Gemeinsam mit der „Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft“ (DAG) und der „Deutsch-Russischen-Freundschaftsgesellschaft in Thüringen“ (DRFG) veranstaltet unser Verband seit vielen Jahren am 8. Mai in Erfurt eine Veranstaltung zum Gedenken an die Befreiung vom deutschen Faschismus und zur Ehrung der Opfer des NS. In diesem Jahr sprachen am „Sowjetischen Ehrenmal“ auf dem Erfurter Hauptfriedhof unter anderem Dr. Martin Kummer als Vorsitzender der Thüringer DRFG, für die Landesregierung die Thüringer Sozialministerin Heike Werner (Die Linke), der russische Generalkonsul Wjatscheslaw Logutow, Tim Segler für die DAG und Paul Wellsow als stellvertretender Vorsitzender des „Thüringer Verbandes der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten“ (TVVdN/BdA). Wir dokumentieren hier die Rede unseres Verbandes:

Auch im Namen des Thüringer Verbandes der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten möchte ich Sie herzlich begrüßen! Erlauben Sie mir, dass ich zu Beginn ein paar Worte aus aktuellem Anlass sage. Ich möchte heute mit einem ausdrücklichen Dank an die Stadt Erfurt beginnen.

Für den heutigen Tag, den 8. Mai, hatte in Erfurt eine rechtsextreme Organisation einen sogenannten „Trauermarsch“ angemeldet. Mit mehreren Hundert Personen wollten sie gegen das Gedenken am 8. Mai, gegen den „Tag der Befreiung“ aufmarschieren und ihre geschichtsverdrehenden Parolen unter dem Motto „Wir feiern nicht“ auf die Straße tragen – eine schaurige Vorstellung nicht nur am 8. Mai – aber ganz besonders an diesem Tag.

In der Organisation mit dem harmlos klingenden Namen „Europäische Aktion“ sammeln sich Holocaust-Leugner und Geschichtsrevisionisten aus Deutschland und mehren Ländern Europas.

Die Stadt Erfurt hat diesen Aufmarsch, hat diese Provokation von ganz rechts außen verboten. Diese Entscheidung war richtig. Und dafür möchte ich ausdrücklich im Namen unseres Verbandes danken.

Der Dank gebührt aber natürlich auch gerade jenen, die seit Jahr und Tag ihre freie Zeit und ihre Wochenenden dafür hergeben, gegen Nazis zu demonstrieren – so waren ja auch für Heute eine Reihe von antifaschistischen Kundgebungen angemeldet.

Auch das Verwaltungsgericht hat das Verbot bestätigt, da mit dem Aufmarsch „die Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft in einer der Würde der Opfer verletztender Weise erfolgen wird“. Auch das ist eine richtige Entscheidung – besser als die eines anderes Verwaltungsgerichts, das jüngst einen rechtsextremen Fackelmarsch am 20. April erlaubt hat.

Mir sei die Anmerkung erlaubt, dass ich nicht nur den heutigen Aufmarsch der „Europäischen Aktion“ für verbotswürdig halte, sondern die ganze Organisation.

Hier am „Sowjetischen Ehrenmal“ auf dem Erfurter Hauptfriedhof wird den sowjetischen Soldaten und Zwangsarbeitern gedacht, die in Erfurt ihr Leben verloren haben.

„Hier ruhen die sterblichen Hüllen sowjetischer Bürger, die im Kampf für unsere sowjetische Heimat fielen. Schlaft liebe Brüder, Ihr werdet von unserem sowjetischen Volk nicht vergessen. Erster Mai 1948.“

So steht es auf der Gedenktafel am Ehrenmal, auf Tafeln und Steinen zudem die Namen der Opfer.

Der 8. Mai 1945 war und ist eine welthistorische Zäsur – er ist der Tag des Sieges über den Faschismus und der Tag der Vollendung der Befreiung von der NS-Diktatur – das gilt es immer wieder zu betonen.

Auf ihrem schwer erkämpften Weg von den Ufern der Wolga und von den Küsten der Normandie in das Innere des damaligen Deutschen Reiches hatten die Soldaten der Alliierten Millionen Menschen aus der Gewalt der Eroberer befreit, Franzosen und Russen, Belgier und Luxemburger, Niederländer, Ukrainer und Polen. Für all diese Menschen hatte das Wort Befreiung einen unzweideutigen, einen sofort spürbaren Sinn. Jahre des Mordes, der Versklavung, der Verschleppung, der Drohungen, des Lebens in Angst waren vorbei. Viele sagten rückblickend, ihnen sei ein zweites Mal das Leben geschenkt worden.

Der 8. Mai war auch für die in den deutschen Konzentrationslagern eingesperrten Menschen eine Befreiung, für Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, die politischen Häftlinge in Zuchthäusern und Gefängnissen, Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen, Demokraten, die sogenannten „Asozialen“, für Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiter, die im Untergrund abgetauchten Widerstands-KämpferInnen oder die stille Opposition.

Der Sieg der Alliieren über die Nazi-Barbarei legte auch die Grundlage für unsere heutiges Leben.

Wenn man vom 8. Mai 1945 redet, dann muss man aber auch über das Jahr 1933 und die Zeit davor sprechen. Man muss darüber sprechen, wie die Nazis an die Macht kamen, wer ihnen half und welche Fehler gemacht wurden, um zu verhindern was dann geschah.

Eine gute und notwendige Tradition des Gedenkens an die Opfer des Faschismus – zum Beispiel hier am 8. Mai und bei vielen anderen Veranstaltungen – war und ist es, dass das Gedenken überparteilich angelegt ist. Denn eine Lehre aus dem deutschen Faschismus und dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus war doch, dass Antifaschistinnen und Antifaschisten zusammen stehen müssen – was auch immer sie in anderen politischen, kulturellen, religiösen oder lebensweltlichen Fragen trennt.

Das Gedenken an die Befreiung am 8. Mai sollte auch Anlass sein, um die Mahnung der Opfer des Faschismus nicht ungehört verklingen zu lassen und sie ins Heute zu transportieren.

Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, rechte Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten, Attacken auf Journalisten oder alternative Jugendliche, RechtsRock-Konzerte mit 3.500 Neonazis wie gestern Abend in Hildburghausen … – all das ist in Deutschland erschreckender Alltag.

Zugleich müssen wir in einer Reihe von Landesparlamenten die Reden geistiger Brandstifter hören. In Mecklenburg-Vorpommern ist das seit vielen Jahren die NPD, hier in Thüringen ist es die AfD. Die Unterschiede, die es zwischen ihnen gab, verwischen zunehmend.

Das hat auch die Debatte um den 8. Mai im letzten Jahr noch einmal klar gemacht. Es war vor allem eine Fraktion im Thüringer Landesparlament, die mit Geschichtsrevisionismus in der Debatte um den Tag der Befreiung auftrat. Das reichte bis dahin, dass ein Abgeordneter der AfD doch tatsächlich die Frage in den Raum stellte, wer „denn den ersten Schuss abgegeben“ hätte, „bevor die Kriegserklärung abgegeben wurde“ – eine klassische Behauptung von ganz rechtsaußen zur Verdrehung der Geschichte, zur Relativierung von Verantwortung und Schuld, gekleidet in Form einer scheinbar harmlosen Frage.

Als Thüringer VVN / BdA begrüßen wir ausdrücklich die Einführung des 8. Mai als gesetzlichen Gedenktag in Thüringen. Seit Jahren setzen wir uns gemeinsam mit anderen dafür ein, den 8. Mai auch bundesweit zu einem Gedenk- oder Feiertag zu machen. Das wäre ein notwendiges Signal gegen das Verdrängen, gegen die Verharmlosung durch Vergleich, gegen die Verdrehung der Geschichte und für das Erinnern.

„Die Vernichtung des Faschismus mit seinen Wurzeln, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“ … der Schwur der Befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald ist bis heute Leitmotiv unseres Verbandes.

Am 8. Mai bleibt uns nur in Richtung der antifaschistischen Widerstands-KämpferInnen, der Partisanen quer durch Europa und der Alliierten zu sagen:

Danke! Thank you! Merci! спаси́бо!

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