Die 24. Antifa-Bildungsreise vom 5. bis 8. Mai 2016 an den Bodensee

22. Mai 2016

36 Kameradinnen und Kameraden der Thüringer VdN-BdA fuhren in diesem Jahr an den Bodensee. Gemeinsam mit Vertretern der Gruppe der VVN-BdA Ravensburg/Oberschwaben, die wir im vergangenen Jahr in Turin bei den Partisanen kennenlernten, besuchten wir Erinnerungsstätten der Gräuel des Faschismus in der Umgebung von Friedrichshafen. Das Wetter und die Stimmung waren bestens. Es gab viel zu diskutieren, denn es gibt leider viele Parallelen im Heute zu den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Faschistische Ideologien durchdringen, leider von der Politik ignoriert, die Gesellschaften in Europa. Mit dem Motto „Erinnern, Gedenken, Mahnen“ begegnen wir diesem Trend bei vielen sich ergebenden Gelegenheiten.

Seit 24 Jahren organisieren Mitglieder der Thüringer VdN-BdA Besuche von Gedenkstätten des Terrors und des Widerstandes in vielen Ländern Europas. Das dabei Erfahrene und Erlebte bestätigt, dass ein Vergleich des faschistischen Deutschlands mit den Fehlern in der DDR-Geschichte unredlich ist und nur die Rechtsentwicklung in unserem Land weiter begünstigt.

In Überlingen wurde 1944, in Folge der massiven alliierten Bombardierungen der Rüstungsbetriebe in Friedrichshafen, unter der Leitung der Firma Siemens mit dem Bau einer Stollenanlage im Molessafelsen begonnen. Die Rüstungsfirmen Luftschiffbau Zeppelin (V2 – Raketen-Teile), Maybach (Motoren für Panzer u. a.), Dornier (Flugzeuge) und Zahnradfabrik Friedrichshafen (Getriebe für Panzer) sollten unterirdisch, vor Bombardierungen sicher, mit jeweiligem Straßen- und Bahnanschluss untergebracht werden.

Im Herbst 1944 wurde bei Aufkirch, nordwestlich von Überlingen, ein KZ-Außenkommando für 800 Häftlinge, vor allem Italiener und Slowenen, aus dem KZ Dachau errichtet. Mindestens 222 Häftlinge des Überlinger Lagers kamen bis zur Befreiung durch französische Truppen im April 1945 bei Arbeitsunfällen mangels Arbeitsschutz, durch Unterernährung und Gewalteinwirkung ums Leben. Nur zwei Häftlingen gelang die Flucht aus dieser Hölle. Diese Stollenanlage besuchten wir unter Führung von Oswald Burger, engagierter ehrenamtlicher Freizeitforscher der Geschichte dieser mehrere Kilometer umfassenden Stollenanlage. In 12-Stunden-Schichten schufteten die Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen.

97 zu Tode gekommene Häftlinge wurden im Februar 1945 im Wald Degenhardt in einem Massengrab verscharrt. Auf Befehl der französischen Militärregierung wurden nach Kriegsende die sterblichen Überreste aus dem Waldstück Degenhardt bei Überlingen exhumiert und am 9. April 1946 auf dem neu geschaffenen KZ-Friedhof Birnau beigesetzt. Auf diesem Friedhof fand in unserem Beisein am 7. Mai eine beeindruckende Gedenkfeier statt. Es wurde von den Rednern nicht nur an die Schrecken des Faschismus erinnert, sondern der Bogen wurde vom Damals ins Heute gespannt. Ein syrischer Flüchtling sprach über den Krieg in seinem Land und dass seine Familie in viele Länder als Folge des grausamen Krieges zerrissen wurde. Elke Pudszuhn, die vor wenigen Tagen wiedergewählte Vorsitzende der Thüringer VdN-BdA, erinnerte in ihrer Grußadresse an den Schwur von Buchenwald, den es noch immer einzulösen gilt. Mit dem gemeinsamen Singen des Liedes „Die Moorsoldaten“ endete die Veranstaltung. Danach trafen wir uns mit Antifaschisten aus Italien und dem Bodenseegebiet zum gemeinsamen Essen und Erfahrungsaustausch. Wir danken besonders Josef Kaiser von der VVN Ravensburg/Oberschwaben, der das Programm gemeinsam mit Elke vorbereitet hat und uns zu allen Stätten begleitete.

Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, besuchten wir das ehemalige „Würthembergische Schutzhaftlager Oberer Kuhberg“, in der Stadt Ulm an der Donau. Es war eines von mindestens 80 frühen Konzentrationslagern nach dem Reichstagsbrand von 1933 in dem vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten und auch standhafte Christen unter unmenschlichen Bedingungen interniert wurden. In der alten Festung auf dem Kuhberg wurden von November 1933 bis Juli 1935 etwa 600 Männer zwischen 17 und 71 Jahren einer bestialischen Wachmannschaft von SA und SS ausgesetzt. Denen ging es darum, die Gefangenen nicht zu ermorden, sondern ihnen das Selbstbewusstsein zu brechen. Übrigens, der Leiter dieses KZ wurde in der Alt-BRD nie zur Rechenschaft gezogen. Die Häftlinge hausten in kalten Kasematten ohne Sanitäranlagen und wenig Licht. Mir persönlich verschlug es die Sprache, als ich von den Leiden der dort Inhaftierten hörte.
Die bekanntesten Häftlinge in der Festungshaft waren Kurt Schumacher als SPD-Reichstagsabgeordneter und Alfred Haag als KPD-Landtagsabgeordneter, die in Einzelzellen untergebracht waren. Die meisten Häftlinge wurden später weiter im KZ Dachau und anderen gequält.
Neben dem Besuch der Gedenkstätten erlebten wir einen Schiffsausflug auf dem Bodensee und besuchten das Zeppelinmuseum in Friedrichshafen. Abends saßen wir gemütlich bei Wein oder Bier und gemeinsamen Gesang zusammen. Dabei tauschten wir unsere Erfahrungen im antifaschistischen Wirken aus und berieten Möglichkeiten der gemeinsamen Arbeit.
Jutta Wiesel aus Unterwellenborn wird nach dem Erlebten die Basisgruppe der VdN-BdA Saalfeld-Rudolstadt künftig als Mitglied verstärken.

Die Zahl der Zeitzeugen des Faschismus wird immer kleiner, es gilt die Erinnerungsarbeit neu zu überdenken, damit auch die junge Generation die antifaschistischen Erfahrungen übernehmen und die richtigen Schlüsse für ihr Handeln ziehen kann.

Unser Dank gilt Elke Pudszuhn als Cheforganisatorin, dem Busfahrer Achim und den Kameraden aus Ulm und Überlingen für die erlebnisreiche Antifa-Fahrt 2016.

J. Powollik, Basisgruppe der VdN-BdA SLF-RU

Und im nächsten Jahr machen wir die 25. Antifa-Fahrt und hoffen auf rege Teilnahme, auch von vielen Neueinsteigern.

Wer sich weiter zum Thema der Reise im Internet informieren möchte:

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