Hohe Ehrungen zum 90. Geburtstag von Kurt Pappenheim

4. Januar 2018

Wir dokumentieren einen Beitrag aus der Zeitschrift „Blitzlicht“, einen Informationsblatt der Partei Die Linke in Schmalkalden-Meiningen, über die Ehrung von Kurt Pappenheit als Ehrenbürger der Stadt Schmalkalden:

Hohe Ehrungen zum 90. Geburtstag unseres Genossen Kurt Pappenheim

Am 24. Juli dieses Jahres stand der 90. Geburtstag unseres verdienten Genossen bevor. Also haben wir langfristig im Stadtvorstand über eine mögliche Ehrung beraten. Die „Schmalkalder Rose“ hatte Genosse Pappenheim bereits 2015 erhalten, eine Auszeichnung, mit der jährlich 15 Schmalkalder für ihre besondere ehrenamtliche Tätigkeit gewürdigt werden. Das Vorschlagsrecht für eine höhere städtische Ehrung liegt bei den jeweiligen Stadtratsfraktionen. Gemeinsam mit Genossen Klaus-Dieter Kaiser, dem Vorsitzenden unserer Stadtratsfraktion, wurde von mir eine Begründung erarbeitet. Zu unserer großen Freude stimmte der Schmalkalder Stadtrat zu, Kurt Pappenheim die Ehrenmedaille Schmalkaldens zu verleihen.
So war denn am 24. Juli im Waldhotel Ehrental „großer Bahnhof“. Denn nicht nur Verwandte und Freunde waren zur Gratulation und zur Feier erschienen, sondern auch der Schmalkalder Bürgermeister Thomas Kaminski und einige Stadträte sowie der Landrat Peter Heimrich. Bürgermeister und Stadträte überreichten die Schmalkalder Ehrenmedaille, der Landrat ehrte den Jubilar im Auftrag des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow mit dem Ehrenbrief des Landes Thüringen; der Vorschlag dafür kam von Kurts langjährigem Freund Roland Büttner aus Erfurt. Natürlich waren die Freude und die Überraschung des Geehrten über die beiden Auszeichnungen groß.
Hier Auszüge aus unserer Begründung für die Schmalkalder Würdigung:

Herr Pappenheim ist neben Herrn Dr. Werner Holland-Cunz der einzige noch lebende Schmalkalder Bürger, der die Gefangenschaft in einem nationalsozialistischen Zwangsarbeitslager überstanden hat. Als Sohn des sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Ludwig Pappenheim, der wegen seiner unbeugsamen antifaschistischen Haltung bereits im Januar 1934 im KZ ermordet wurde, war die Familie vielen Repressalien ausgesetzt, die letztlich in KZ-Haft für den Bruder Günter und Einweisung in ein Zwangsarbeitslager für Kurt Pappenheim endeten. Nach seiner Rückkehr begann Herr Pappenheim im Herbst 45 eine Lehre, wurde jedoch kurze Zeit später von zwei Freunden seines Vaters, u.a. dem Sozialdemokraten Karl Wißler, bewogen, sich als Neulehrer ausbilden zu lassen. Ab 1946 in Breitungen eingesetzt, begann er bereits damals, einerseits über das Schicksal seiner Familie, insbesondere des Vaters, vor Schülern zu sprechen als auch andererseits Kenntnisse über Verfolgung, Opfer und den Faschismus zu vermitteln. Das heißt, dass er bereits damals anfing, als Zeitzeuge zu wirken, wie in einem kürzlich erschienen Buch eines Breitungers dokumentarisch belegt wird.
Kurt Pappenheim war ab 1948 als stellvertretender und später als Schulleiter in Breitungen, danach im Rosa-Grund tätig; neben schulischen Aufgaben standen Organisation und Durchführung von Ferienlagern, Exkursionen, darunter auch naturkundlichen, auf der Tagesordnung sowie sonntägliche Gespräche mit Jugendlichen zu politischen, also auch antifaschistischen Themen. Als Mitglied der SED hat er sich in den 80er Jahren Forderungen widersetzt, sich von den sozialdemokratischen Positionen seines Vaters loszusagen. Als langjähriger Direktor der Johann-Gottfried-Seume-Schule wird Herr Pappenheim als strenger, vom Kollegium viel verlangender Dienstherr eingeschätzt, der gerecht war, immer die Schule und Kollegen vertreten und auch die Meinungen anderer akzeptiert hat. Ehemalige Schüler beurteilen ihn als „fair, ruhig, besonnen“.
Herr Pappenheim hat in all den Jahren als Zeitzeuge gewirkt, viele Gesprächsrunden mit Schülern in Schmalkalden, in der DDR und vor allem in Buchenwald geführt, „Treffen dreier Generationen“ organisiert (Schüler, Patenbrigaden, ehemalige Häftlinge, Arbeiterveteranen).
Als langjähriger Vorsitzender des Kulturbundes in Schmalkalden, dem viele Schmalkalder Intellektuelle angehörten, hat er sein Augenmerk u. a. auf die Heimatgeschichte gerichtet.
Nach der politischen Wende und im Ruhestand hat sich Herr Pappenheim intensiv der Gedenkkultur, der Vermittlung von Kenntnissen und Erkenntnissen, der Gewinnung von Gesprächspartnern, insbesondere am Gymnasium gewidmet (z.B. Kurt Goldstein und ehemalige jüdische Mitbürger, Angehörige und Nachfahren dieser Familien). Bisher betreute er 23 Projektarbeiten, führte selbst viele Gespräche mit Schülern, nicht nur in Schmalkalden, sondern z. B. auch in Eschwege (u.a. Vortrag vor 60 Schülern) sowie wiederholt in Buchenwald.
Er war immer bemüht, Schüler für die Teilnahme an Gedenkveranstaltungen zu gewinnen. So hat er 1996 die Erarbeitung des „Schülerprojektes 1926 – 1948“ angeregt. Im vergangenen Jahr übergab er dem Stadt- und Kreisarchiv große Teile seines eigenen Archivs und das gesamte, von seiner Mutter verwaltete Archiv seines Vaters.
Damit stehen der Stadt umfangreiche Materialien zur Geschichte der Juden in Schmalkalden, zur Geschichte der Naziverbrechen, zur Geschichte unserer Heimatstadt und zur nationalen und interrnationalen Geschichte zur Verfügung. Seit Jahren bemüht sich Herr Pappenheim um eine gemeinsame Gedenkkultur, in die Parteien, Kirchen, Vereine und insbesondere die Schulen einbezogen werden sollten.
Außerordentliche, über die Stadtgrenzen weit hinausreichende Verdienste hat sich Herr Pappenheim in der Entwicklung und Pflege der jüdischen Gedenkkultur erworben. 1999 erschien sein Buch „Die jüdische Gemeinde Schmalkalden und ihr Ende im Holocaust“. Gemeinsam mit dem Stadtarchiv und der Familie Simonsohn/ Chile gestaltete er die Ausstellung „Jüdische Familien in Schmalkalden“, beteiligte sich intensiv an der Ausstellung über seinen Vater und unterstützte die Herausgabe des Buches über ihn. Er hat großen Anteil daran, dass die Erinnerungstafel für die jüdische Synagoge angebracht und Stolpersteine in der Stadt verlegt wurden. In den 1990er Jahren kümmerte sich Herr Pappenheim um formelle Belange bei der Rückgabe und Entschädigung jüdischer Familien.
Besonders zu würdigen sind seine engen Beziehungen zu Familien ehemaliger Schmalkalder Juden, z. B. in Chile, den USA und Frankreich, von denen etliche jeweils am 9. November zu Gast waren und auch öffentlich zu den Gedenkveranstaltungen, im Rathaus und im Gymnasium aufgetreten sind. Er steht in regem Austausch mit diesen Menschen und ist bemüht, weitere Kontakte zu knüpfen. Es würdeder Ehre des Stadtrates und unsererStadt dienen, wenn Herr Kurt Pappenheim mit der Ernennung zum Ehrenbürger die seinem Wirken als Zeitzeuge gerechte Anerkennung erfährt.


Kurt Pappenheim (rechts) mit seinem Bruder Günter bei der Verlegung eines Stolpersteines für Vater Ludwig Pappenheim in Eschwege. (Foto: Elke Pudszuhn)