Anhörung „Staatsziel Antifaschismus“ im Thüringer Landtag

18. Dezember 2020

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Zur heutigen Anhörung im Verfassungsausschuss des Thüringer Landtages begrüßte der TVVdN/BdA  die, von den Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN vorgeschlagene, Ergänzung in Artikel 1 der Thüringer Verfassung: „Die Abwehr der Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, der Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems und rassistischer, antisemitischer oder menschenfeindlicher Aktivitäten ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung aller.“

„Wir erinnern uns noch gut an die damaligen Diskussionen im noch jungen Thüringer Landtag, welche die Entstehung unserer Thüringer Verfassung begleiteten“, resümiert die stellvertretende Landesvorsitzende, Karin Schrappe. Die LL-PDS, forderte da bereits, Antifaschismus als Staatsziel mit aufzunehmen. Der Abgeordnete Dr. Roland Hahnemann, mahnte damals in einer Plenarrede an: „Indem Sie aber auf Antifaschismus als direktes Prinzip verzichten, begünstigen Sie die verheerenden Entwicklungen der Gegenwart.“ „Rückblickend auf die körperlichen Übergriffe, Morde und Pogrome, verübt von Neonazis zu Beginn der 90er-Jahre, war dies – aus heutiger Sicht – ein fast prophetisch anmutender Ausspruch“, so Schrappe weiter. „Dass nun diese geforderte Ergänzung der Thüringer Verfassung in greifbare Nähe gerückt scheint, erfreut uns sehr.“

„Millionenfaches Leid, das bis in die Gegenwart hinein psychisch und physisch in Einzelschicksalen weiterlebt, darf nicht vergessen oder verdrängt werden. Es mahnt zur Wachsamkeit gegenüber der Gefahr, dass Intoleranz, Preisgabe des Solidaritätsgedankens, Ausgrenzung Andersdenkender und Anderslebender, Ausländerhass, Antisemitismus und nationale Überheblichkeit wachsen“, mahnt die Ehrenvorsitzende des TVVdN/Bda, Elke Pudszuhn. „Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die längst überfällige Verankerung der „Abwehr der Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, der Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems und rassistischer, antisemitischer oder menschenfeindlicher Aktivitäten“ in der Thüringer Verfassung. Es gehört zu den traurigen Befunden unserer Zeit, dass der Schwur von Buchenwald noch immer nicht erfüllt wurde. Dies unterstreicht die besondere Dringlichkeit von Antifaschismus als Staatsziel.“

„Leider fehlt es bislang an evidenten Untersuchungen, wie neue Staatsziele Gesetzgebung und Verwaltungshandeln beeinflussen. Da sie aufgrund der inhaltlichen Offenheit und Unbestimmtheit nicht justiziabel sind, werden sie in der Rechtsprechung wohl kaum eine Rolle spielen. Der zu erwartende praktische Nutzen wird wohl eher gering sein“, gibt die Landesvorsitzende des TVVdN/BdA, Kati Engel, zu bedenken. „Es handelt sich bei der Einführung neuer Staatsziele also um reine Symbolpolitik. Aber auch ein symbolischer Akt ist ein Akt, der bewusstseinsbildend wirken kann – ein Akt des Schutzes der auf der Straße angefeindeten Minderheiten, ein Akt der Wiedergutmachung mit den Opfern und den Nachkommen der Verfolgten, Gefolterten und Ermordeten und ein Akt der Dankbarkeit für all die, welche sich Tag für Tag für diese Menschen einsetzen und stark machen. Wir sollten nicht vergessen, dass auch einem symbolischen Akt tiefe Bedeutung innewohnen kann.“

Dennoch warnt der TVVdN/BdA davor, diese Symbolpolitik ohne Untersetzung zu lassen. Sie würde so nur Erwartungen wecken, die nicht erfüllt werden. Ein Bundesland solle sich nicht mit einer scheinbar progressiven Verfassungsbestimmung schmücken, während sich an den realen Lebensbedingungen der Betroffenen nichts ändert. „Denn dann besteht die Gefahr, dass der Begriff „Antifaschismus“ und alle, die diesen Begriff mit Leben füllen, gänzlich entwertet werden“, erläutert Kati Engel.