„Tränen allein genügen nicht“

22. April 2021

, , , , , ,

  • Text von Brigitte Dornheim

„Tränen allein genügen nicht“ lautet der Titel der Autobiographie von Stefan J. Zweig. Als in der DDR geprägte Antifaschistin kenne ich natürlich die Geschichte um das Buchenwaldkind. Als eine solche treiben mich seit Jahren Befürchtungen und Fragen umher. Was wird bleiben vom zutiefst antifaschistischen Charakter unseres sozialistischen Vaterlandes DDR? Was, wenn die Letzten gegangen sind, die dieses Land und seine humanistischen Grundpfeiler bewusst mitgestalteten?

Aus diesem Grund griff ich dankbar den Vorschlag meines Freundes aus Hessen auf, auch in Sonneberg, so wie er es in Wetzlar erlebte, einen „Weg der Erinnerung“ zu gestalten. Da er, ehemals Geschichtslehrer an einer westdeutschen Realschule, den bundesdeutschen Geschichtsunterricht mit seinen gravierenden Mängeln, was das Wissen und Können der Schüler zum Thema Faschismus anbetrifft, besser beurteilen kann als ich, die ich Geschichte an einer DDR-POS unterrichtete, ließ ich mich von der Notwendigkeit überzeugen, einen Arbeitskreis „Antifaschistische Gedenkkultur Sonneberg“ zu gründen.

Mitte des Jahres 2019 war es uns gelungen, eine erste Zusammenkunft dieses Arbeitskreises zu organisieren, zu dem 20 antifaschistisch gesinnte Bürger unterschiedlichen Alters aus verschiedenen Parteien und Organisationen und auch politisch Nichtorganisierte gehören. Wir setzten uns das Ziel, einen „Weg der Erinnerung und Mahnung“ zu schaffen, der sowohl Stätten der Verfolgung und des Widerstandes, als auch Stätten der faschistischen Täter in den Jahren 1933 bis 1945 umfasst.

Dieser Weg gliedert sich in 5 Rundwege, die geschlossen oder auch einzeln begangen werden können. Eine Broschüre und ein auch digitalisierter Flyer sollen als Begleitmaterial zur Verfügung stehen. Zu den wichtigsten Stationen des Weges gehören auch zwei Stolpersteine, ein existierender für die ermordete Jüdin Rosa Bibo und der im Sommer dieses Jahres zu verlegende für den ermordeten Kommunisten und Widerstandskämpfer Adolf Wicklein, meinen Großvater. Hieran zeigt sich auch, dass wir die Opfergruppen in ihrer ganzen Breite erfassen möchten.

Hauptanliegen unserer Arbeit ist es, die Bürger, vor allem junge Menschen, von Folgendem zu überzeugen: Dies geschah mitten in eurer Heimatstadt, mitten unter den Sonnebergern, zu denen vielleicht eure Großeltern und Urgroßeltern gehörten – und es kann wieder geschehen, wenn wir es zulassen. Nun hat die Pandemie unsere Planung durcheinandergebracht, denn seit einem Jahr können wir nur digital zusammenarbeiten. Dennoch wurden die Rundwege konzipiert und ein Redaktionskollektiv gebildet, das den Broschürentext, der von zwei Mitgliedern des Arbeitskreises erstellt wurde, überarbeitet. Wir schrieben auch ein Vorwort, in dem es unter anderem heißt:

Geschrieben wurde diese Broschüre

nicht nur, um das Wissen der Sonneberger Leser über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zu erweitern, sondern auch, um ihnen eine Handlungsorientierung zu geben, die es ihnen ermöglicht zu erkunden, wie sich dieses historische Kapitel in ihrer Heimatstadt abspielte.

Geschrieben wurde diese Broschüre,

denn Tränen allein genügen nicht.