Der 2. Sonneberger Stolperstein erinnert an den antifaschistischen Widerstandskämpfer Adolf Wicklein

31. Juli 2021

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Autorin: Brigitte Dornheim (Basisgruppe Sonneberg)

Vor einigen Jahren wurde auf Initiative einer jungen Journalistin in Sonneberg ein Stolperstein für eine jüdische Bürgerin meiner Heimatstadt verlegt. Ich habe das Bild des knieenden und klopfenden Gunter Demnig noch vor Augen, der jenen Messingstein als Erinnerung an die in Theresienstadt ermordete Rosa Bibo auf dem Trottoir vor dem Haus, in dem die Sonneberger Verkäuferin wohnte und arbeitete, setzte.

Damals reifte in mir der Entschluss, einen solchen Stein für meinen Großvater Adolf Wicklein verlegen zu lassen. Im Juli dieses Jahres kam es zur Verwirklichung meines Vorhabens. Für mich war dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Erfüllung seines Vermächtnisses. Dieses Vermächtnis betrachte ich auch als das meines Vaters, der noch 1945, heimgekehrt aus dem Krieg, konsequent die Schlussfolgerung aus seinen schlimmen Erfahrungen an der Front ziehend, Mitglied der Partei wurde, in deren Reihen sein Vater gekämpft hatte, Mitglied der KPD, der Kommunistischen Partei Deutschlands und antifaschistischer Neulehrer wurde.

Leider konnte Gunter Demnig den Stolperstein nicht selbst verlegen, aber die Mitarbeiter des Bauhofes Sonneberg hatten die Legung gut vorbereitet. Es war eine würdige und gelungene Gedenkveranstaltung, zu der sich circa 30 antifaschistisch gesinnte Frauen und Männer am 31. Juli um 11. 00 Uhr in Sonneberg-Köppelsdorf versammelt hatten, darunter der stellvertretende Bürgermeister, der Kreisheimatpfleger, die ehemalige Pressesprecherin der Stadt und ein Lokalhistoriker. Der Stein wurde auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude verlegt, welches als einziges von dem Betrieb übrigblieb, in dem Adolf Wicklein als Kapseldreher arbeitete. An seinem Arbeitsplatz in der Porzellanfabrik Hering verhaftete ihn am 19. Juni 1944 die Gestapo. Nach einigen Tagen, die er in einer Zelle des Sonneberger Gefängnisses verbringen musste, wurde er nach Weimar verlegt und dort, nach dem vor dem 2. Senat des sogenannten Volksgerichtshofs gefällten Todesurteil wegen „Hochverrats“ im Hof des Landgerichtsgebäudes enthauptet. Er starb an dieser Stelle als Letzter. Vor ihm wurden an jenem 5. Januar 1945 im 20-Sekunden-Takt 7 Männer und eine Frau der Suhler Widerstandsgruppe Friedberg ermordet. Meine VVN-Kameradin Waltraud Heinz, die den Anwesenden den Kommunisten und Widerstandskämpfer Adolf Wicklein nahebrachte, erläuterte auch, was in den Augen des NS-Regimes Hochverrat bedeutete, nämlich das Abhören von sogenannten Feindsendern und das kommunistische Hetzen mit russischen, sprich sowjetischen Kriegsgefangenen. Diese Kriegsgefangenen, die Schulter an Schulter mit Adolf Wicklein gearbeitet hatten, wurden von ihm mit Nahrung, Kleidung und Frontnachrichten versorgt. Dazu hatte er die „Feindsender“ gehört und auch, um Thüringer Angehörige von in britische Kriegsgefangenschaft geratene deutsche Soldaten zu benachrichtigen. Zum Kennenlernen des Adolf Wicklein trugen auch die Worte von Walter Fischer bei, der sich noch an seinen Großvater erinnern konnte. Sehr berührend war das Erinnerungsbild von einem Motorrad, auf dem SS-Männer saßen und dem Beiwagen, in dem er seinen Opa erblickte. Diese Schilderung vernahmen auch meine Tochter und ein Ur-Ur-Enkel von Adolf Wicklein sowie ein Enkel von dessen Schwester Ida.

Die kulturelle Umrahmung der Reden einschließlich meiner Erläuterung zum „Weg der Erinnerung und Mahnung zu Stätten der Verfolgung und des Widerstandes 1933 bis 1945“, eines Projektes des Sonneberger Arbeitskreises „Antifaschistische Gedenkkultur“ übernahm der Sänger Ernesto Schwarz aus Hessen. Von den durch ihn vorgetragenen Lieder „Wilde Gesellen“, „Im Kerker zu Tode gemartert“ ging eine starke emotionale Berührung aus.

Erich Weinerts Liedtext „Genauso hat es damals angefangen“ und der Text eines an die Jugend gerichteten Liedes wiesen auf die nach wie vor große Wichtigkeit antifaschistischen Wirkens hin. Auch deshalb soll der Stolperstein für Adolf Wicklein die erste Station des „Weges der Erinnerung und Mahnung“ werden. Beendet wurde die Gedenkveranstaltung mit Brecht-Worten aus „Der unaufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“.

„Ihr aber lernet, wie man sieht statt stiert

Und handelt statt zu reden noch und noch.

So was hätt‘ einmal fast die Welt regiert!

Die Völker wurden seiner Herr, jedoch

Daß keiner uns zu früh da triumphiert –

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.