29. Antifa-Fahrt in die Lüneburger Heide

20. Mai 2022

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13. bis 16. Mai 2022

Autor: Jürgen Powollik (BG Rudolstadt)

Nach der Corona bedingten Pause trafen Mitte Mai sich 30 Mitglieder und SympathisantInnen der TVVdN-BdA und fuhren gemeinsam in drei Kleinbussen gen Norden. Die Fahrt war finanziell und logistisch durch DIE LINKE dankenswerter Weise unterstützt worden.

die Antifa-Fahrer:innen in Bergen-Belsen

Am Nachmittag wurde die Gruppe im „Wohn- und Ferienheim Heideruh e. V.“ von deren Chefin Bea herzlich empfangen. Heideruh ist als gemeinnütziger Verein anerkannt, Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband und wird jetzt öfter auch von linken Jugendgruppen genutzt. Heideruh wurde 1926 von Hamburger kommunistischen Antifaschistinnen und Antifaschisten gegründet. Die Idee entstand aus der Tradition der HamburgerInnen, am Wochenende zur Erholung in ihre Wochenendhäuser in die Lüneburger Heide zu fahren. Nach dem Ende des Faschismus wurde Heideruh als Wohn- und Erholungsstätte für Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer und Kinder, die die Grauen der Konzentrationslager überlebt haben, in Selbstorganisation wiedergegründet. Übrigens kann man hier auch unbeschwert Urlaub machen, besonders ist dies im August und September zu empfehlen, wenn die Heide blüht. Bei Kaffee und Kuchen waren die Strapazen der Fahrt schnell vergessen. Am Abend machten wir uns untereinander besser bekannt, denn neben den gestandenen Antifa-FahrerInnen gab es diesmal auch einige Neue.

Am nächsten Vormittag plauderte Bea über die Geschichte von Heideruh und den antifaschistischen Widerstand in Hamburg und in ihrer Familie. Nach einem leckeren Mittagessen fuhren wir zu der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Sie erinnert am Ort des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme in Hamburg an die mehr als 100.000 Opfer des Nationalsozialismus, die hier zwischen 1938 und 1945 inhaftiert waren und von denen 50.000 starben. Von 1948 bis 2006 wurden Gelände und Gebäude durch die Stadt Hamburg mit zwei Gefängnissen für den Strafvollzug genutzt. Unser Reisebegleiter erzählte von den Schwierigkeiten, bis es zu der Gedenkstätte, wie wir sie vorfanden, kam.

Auf Initiative des Überlebendenverbandes Amicale Internationale KZ Neuengamme und der VVN konnte endlich am 7. November 1965 im hinteren Teil der Gärtnerei die Einweihung des Mahnmals mit einer Stele, der Skulptur „Der sterbende Häftling“ der französischen Bildhauerin und Überlebenden des Holocaust Françoise Salmon und einer Gedenkmauer mit Nationentafeln der hier Geschundenen sowie einer Tafel mit der Liste der Außenlager stattfinden. Besonders erschütterten uns die Banner im Haus des Gedenkens mit den nach Datum sortierten Namen der dort zu Tode gekommenen Häftlinge. Man konnte an Hand dieser Banner den damaligen Kriegsverlauf deutlich nachvollziehen. Am internationalen Denkmal am Aschefeld legten wir ein Gebinde den dort zu Tode gekommenen zur Erinnerung und uns zur Mahnung nieder. Vom ehemaligen KZ gibt es nur noch geringe materielle Spuren. Auch hier wurde der Massenmord mit Gas an sowjetischen Kriegsgefangen getestet.

Auf der Rückfahrt nutzten wir eine Elbfähre. Abends konnten die Eindrücke der Teilnehmer diskutiert werden. Bei einem Solidaritätsbasar wurden 147 € für Cuba si gespendet.

Für den Sonntag stand der Besuch in der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen im Mittelpunkt. Die damals dort vorhandenen Baracken in der Nähe des Truppenübungsplatz wurden mit Kriegsbeginn bis Januar 1945 von der Wehrmacht in ein Lager für belgische und französische, dann auch für sowjetische Kriegsgefangene umfunktioniert. Bis Herbst 1941 wurden dort mehr als 21.000 sowjetische Kriegsgefangene eingeliefert. Die meisten kamen aufgrund der katastrophalen Lebensumstände dort in kurzer Zeit zu Tode und wurden auf dem angrenzenden Friedhof in Massengräbern verscharrt. Nach dem Krieg wurde dieser Bereich weiter als Truppenübungsplatz genutzt und die Totenruhe massiv gestört. Heute erinnern kleine Tontafeln an die dort ruhenden Sowjetsoldaten.

1943 übernahm die SS einen Teil des Lagers und nutzte es als „Aufenthaltslager“ für „Austauschjuden“, Kleine Kontingente Jüdische Gefangene konnten gegen Übergabe ihres Vermögens aus dem faschistischen Deutschland ausreisen, wenn es Empfängerländer gab. Die andern kamen in die Vernichtungslager.

Die Überlebenden des Konzentrationslagers Bergen-Belsen wurden nach ihrer Befreiung in nahe gelegenen ehemaligen Wehrmachtskasernen untergebracht, die als Notlazarette eingerichtet worden waren. Hier wurden sie medizinisch versorgt. Daraus entstand später ein reguläres Krankenhaus für die ehemaligen Häftlinge/Displaced Persons Häftlinge. Das polnische Lager wurde im Sommer 1946 aufgelöst. Nachdem 1948 der Staat Israel gegründet war, durften die Juden in kleinen Kontingenten ausreisen. Das jüdische Lager wurde 1951 geschlossen.

Am 1952 errichteten Mahnmal legten wir auch hier ein Gebinde nieder und erinnerten an die hier und an vielen anderen orten verübten Verbrechen der deutschen Faschisten.

Am Abend erinnerte eine Diashow an die vielen Antifa-Fahrten vergangener Jahre. Erstmals war unsere Ehrenvorsitzende Elke aus gesundheitlichen Gründen nicht mit dabei. Es fehlten auch viele andere aus gleichen Gründen, dies war schade. Doch junge AntifaschistInnen schlossen sich der Gruppe an. Einiges war diesmal anders. In der Zukunft sollten wir die Interessen der Jungen und der Alten besser in Einklang bringen.

Das an beiden Orten Geschehene soll uns vor Augen führen, dass der Weg bis zur Erfüllung des Schwurs von Buchenwald noch ein sehr weiter ist.

Kriege sollen verflucht sein!