Pflanzung der Gedenkbäume für Ewald Stübler und Otto Speßhardt

7. Dezember 2022

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Standort „Marienhöhe“ bei Weimar


In diesen Sommer wurden mehrere Gedenkbäume des Projektes „1.000 Buchen“ des Lebenshilfe-Werks Weimar/Apolda beschädigt und zerstört. Wir haben in den vergangenen Monaten Geld für neue Bäume gesammelt. Dank Eurer Hilfe ist es uns gelungen, gleich zwei neue Gedenkbäume stiften zu können. Diese wurden am 7. Dezember 2022 mit vielen weiteren Gedenkbäumen unter Beisein des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und Oberbürgermeister Peter Kleine gepflanzt.

Wir haben uns dafür entschieden, unsere Bäume zwei fast vergessenen Widerstandskämpfern, die das Naziregime nicht überlebten, zu widmen und möchten sie Euch im Folgenden vorstellen:

Otto Speßhardt (4.11.1911 – 20.3.1945) aus Eisenach, Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD)
Ewald Stübler (13.08.1881 – 05.01.1945) aus Suhl/Goldlauter, Mitglied der Widerstandsgruppe Friedberg

Ewald Stübler

rechts: Ewald Stübler

Ewald Stübler wurde am 13. August 1881 in Gera als ältestes von acht Kindern des Harmonika-Machers und Musikers Otto Stübler geboren. Da die Not der kinderreichen Familie groß war, wurde er im Alter von 12 Jahren zu seinem Onkel nach Hirschberg in Schlesien geschickt. Nach der Schule erlernte er hier den Kaufmannsberuf in einer Eisen- und Waffenhandlung. Mit 16 Jahren kam er wieder nach Gera zurück und besuchte die Fachschule. Durch seine Begabung und seinen Fleiß erhielt er ein Stipendium. Sein gutes Sprachtalent – er sprach fließend Italienisch und hatte gute Kenntnisse in Französischen, Spanischen und Latein – brachte ihn in Kontakt mit Menschen in Italien und Argentinien, mit denen ihn eine jahrelange Brieffreundschaft verband. Die misslichen häuslichen Verhältnisse
gestatteten ihm nicht, die Berufslaufbahn, die er auf Grund seiner Kenntnisse hätte beginnen können, einzuschlagen. Er wurde Weber, um sich dann mit den Jahren im kaufmännischen Bereich – als Expedient beginnend – weiter emporzuarbeiten. Nach Beendigung der Lehrzeit war er an verschiedenen Orten tätig. Von 1923 bis 1928 betrieb er in Suhl eine eigene Waffenhandlung, danach arbeitete er wieder als kaufmännischer Angestellter in der Waffenfabrik Albert Sühn.
In Suhl wohnte er mit seiner Frau, die er 1903 heiratete, in der Wertherstraße 1. Seine Frau verstarb bereits 1941. Über das Schicksal ihres gemeinsamen Sohnes, späterer Apotheker in Ebeleben, sowie seiner Schwiegertochter, Thea Stübler, ist uns leider nichts bekannt.
Schon früh begann Ewald Stübler sich politisch zu interessieren und besuchte sozialistische Versammlungen. Zuerst sympathisierte er mit der SPD, später mit der KPD. Ab 1934 gehörte er der DAF (Deutsche Arbeitsfront) an. In all den Jahren hatte sich seine politische Einstellung nicht gewandelt und er machte auch daraus keinen Hehl. „Gute Freunde“ denunzierten ihn. Er wurde im November 1937 in Schutzhaft genommen und war für 1,5 Jahre Häftling im KZ Buchenwald. 1939 wurde er dort wieder entlassen.
Zurück in Suhl schloss er sich dem engeren Widerstandskreis um den Sozialdemokraten und früheren Reichstagsabgeordneten Guido Heym an. Mit seinem Rundfunkempfänger hörte Ewald Stübler Nachrichtensendungen aus London, Beromünster und Moskau ab. Mit gleichgesinnten Mitstreitern wie Walter Köhler, Emil Eckstein, Reinhold Amthor und Franz Albrecht beriet er die notwendigen Schritte ihrer illegalen Tätigkeit in der Gasstätte „Fuchsbau“. Der damalige Wirt des „Fuchsbau“, Ewald Otto, hatte für einen Hinterausgang gesorgt, durch den die Antifaschisten ungesehen das Lokal verlassen konnten, falls Polizei oder Gestapo kämen.
Die Gaststätte „Zum Schuppen“ in der Suhler Arbeitersiedlung Friedberg war der gemeinsame Treffpunkt der Friedberg-Gruppe, zu welcher Ewald Stübler ebenfalls Kontakt pflegte. Diese verteilten Flugblätter, bildete Kleingruppen in den Betrieben der Waffenindustrie und sammelte Spenden für die Verfolgten. Sie versteckte Handfeuerwaffen und drei Maschinengewehre. Es bestand durch Ewald Stübler eine enge Verbindung zum Widerstandskreis um Guido Heym.
Mehrere Jahre lang überwachte die Gestapo die Friedberg-Gruppe durch einen Spitzel. Im September 1943 und Juni 1944 schlug sie zu. Etwa 200 Männer und Frauen fielen ihr in die Hände. Alle Verhafteten wurden schwer gefoltert, einige während der Folter totgeschlagen. In den sogenannten „Suhler Hochverratsprozessen“ fällte der Volksgerichtshof Ende 1944 acht Todesurteile wegen „Vorbereitung zum Hochverrat, Feindbegünstigung und Wehrkraftzersetzung“ zum Tode und lebenslangen Ehrverlust. Im Urteil des Volksgerichtshofes heißt es: „Stübler ist der verbissene Kommunist, der seine kommunistischen Ideen bei jeder Gelegenheit verbreitet.“
Das Urteil wurde am 5. Januar 1945 vollstreckt. Im Innenhof des Landgerichts werden acht Männer und eine Frau enthauptet. Jede Hinrichtung dauerte 20 Sekunden.
Unter den Hingerichteten war Adolf Wicklein (26. Januar 1886, Kommunist und Widerstandskämpfer) der einzige, der nicht zur Friedberg-Gruppe gehörte. In Sonneberg wohnhaft, unterstützte er sowjetische Zwangsarbeiter und verhalf Kriegsgefangenen zur Flucht. Das Ehepaar Minna und Emil Recknagel (9. Februar 1882 und 18. Januar 1880, Widerstandskämpfer, seit 1901 verheiratet, zwei Kinder), Carl Stade (2. Mai 1900, Schlossermeister und Widerstandskämpfer), Adolf Anschütz (20. September 1889, Kommunist, ehemaliger regionale Geschäftsführer des Deutschen Metallarbeiterverbandes), Ernst König (3. März 1898, KPD-Mitglied, kannte Ewald Stübler aus der gemeinsamen Haft im KZ Buchenwald), Rudolf Gerngroß (15. Februar 1898, ehemaliger Polizeileutnant, 1934 wegen seiner SPD-Mitgliedschaft entlassen), Friedrich Heinze (4. April 1889, Kaufmann und früheres Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei), Adolf Wicklein und Ewald Stübler wurden am 5. Januar 1945 im Landgericht Weimar enthauptet.


„Wir sterben unschuldig. […] Ihr braucht euch nicht zu schämen“

(letzter Brief der Recknagels an ihre Angehörigen)

Otto Speßhardt

Foto: Stadtarchiv Eisenach – 40.5.03.01-032_001

Der Eisenacher Tischler Otto Speßhardt, geboren am 04. November 1911, war Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes (KJVD) und Teil der Eisenacher Widerstandsgruppe um Fritz Koch, Ernst Böckel, Willy Enders, Paul Göpel, Erich Honstein und Heinrich Zieger.
Als am 30. Januar 1933 die NSDAP die Macht in Deutschland an sich reisst und auch in Eisenach wenige Tage später die Hakenkreuzflaggen überall wehen, möchte die Eisenacher Widerstandsgruppe ein Zeichen setzen, indem sie die Rote Fahne an prägnanten Orten der Stadt hisst. Otto Speßhardt war es, der in der Nacht zum 12. März 1933 auf dem Metilstein gut sichtbar gegenüber der Wartburg eine rote Fahne anbrachte, um deutlich zu machen, dass es noch Widerstand gegen das Naziregime in Deutschland gibt.
Kurz darauf wird er deshalb verhaftet und
wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach der Verbüßung seiner Gefängnisstrafe wird Speßhardt jedoch nicht entlassen, sondern in Schutzhaft genommen. Anfang des Jahres 1937 wird Otto Speßhardt in das KZ Bad Sulza verschleppt, von wo aus er im Juli über das KZ Lichtenburg am 31. Juli 1937 in das KZ Buchenwald überstellt wird. Drei Jahre ist er als Häftling Nummer 856 im KZ Buchenwald bis er am 31. August 1940 entlassen wird. Doch die Folgen seiner Haft überwindet er nie. Am 20. März 1945 verstirbt er an den Auswirkungen einer Lungentuberkulose, welche er sich durch die Haftbedingungen
zuzog.
Sein Grab befindet sich in Eisenach auf dem Städtischen Hauptfriedhof in einem Ehrenhain zum Gedenken an die Opfer der revolutionären Arbeiterbewegung, welcher dort 1946 angelegt wurde. Neben den Gräbern der Eisenacher Opfer des Kapp-Putsches und den Gräbern der Widerstandskämpfer, die die Zeit des Nationalsozialismus überlebten, befinden sich hier die Grabstätten von fünf weiteren Opfern des Naziregimes: Ernst Böckel (14. Januar 1909 – 07. Dezember 1940) wurde als Mitglied der KPD und des RFB (»Rotfrontkämpferbund«) wegen seiner aktiven Widerstandsarbeit verhaftet und zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Er wurde am 07. Dezember 1940 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein umgebracht.
Willi Enders (11. April 1886 – 7. Januar 1938) war seit 1905 Mitglied der SPD, einige Jahre Bibliothekar in der Gewerkschaftsbibliothek Eisenach und aktiv in der Widerstandsbewegung. Nach seiner Verhaftung wurde er bei Verhören im Gerichtsgefängnis Eisenach so schwer misshandelt, dass er am 7. Januar 1938 seinem Leben ein Ende setzte.
Erich Honstein (23. Februar 1904 – 1. Juli 1934), ebenfalls Mitglied der KPD, setzte nach Beginn der NS-Diktatur seine politische Tätigkeit illegal fort, wurde 1934 verhaftet und am 1. Juli 1934 in einem Gefängnis in Halle erschlagen.
Fritz Koch (21. Oktober 1901– 17. März 1933), ebenfalls Mitglied der KPD und des »Rotfrontkämpferbundes« (RFB), wurde im Frühjahr 1933 wegen seiner politischen Aktivitäten in das SA-Lager Nohra eingewiesen. Dort verstarb er am 17. März 1933 an den Folgen von Misshandlungen.
Heinrich Zieger (24. Februar 1900– 28. Dezember 1933) war seit Anfang der 20er Jahre Mitglied der KPD, zeitweilig Betriebsratsvorsitzender der Hörsel-Werke in Eisenach und in verschiedenen anderen kommunistischen Organisationen aktiv. 1932 wurde er Stadtverordneter der KPD in Eisenach und war stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde er verhaftet und setzte nach wochenlangen Verhören und Folterungen seinem Leben ein Ende.


„Ihr seid nicht tot – tot sind nur die, die man vergißt“

(Inschrift des Denkmals im Ehrenhain)
Ehrenhain in Eisenach