30. Antifa-Fahrt
20. Juni 2023
Leitmeritz, Lidice, Litomerice, Terezin, Theresienstadt
Eine Bildungsreise nach Litoměřice, Terezín und Lidice
Autorin: Anne Maddouch, GfV
Litoměřice. Unsere viertägige Bildungsreise begann am 18. Mai und endete am 21. Mai 2023. Das erste gemeinsame Gedenken fand am ehemaligen Krematorium des Außenlagers Leitmeritz statt. Die Stadt Litoměřice lag im Sudetengebiet. Nach der Annektierung des Deutschen Reichs im Herbst 1938 wurden aufgrund der alliierten Luftangriffe Teile der Rüstungsproduktion in unterirdische Fabriken verlegt (vgl. memorialmuseums). Unter dem Decknamen „Richard I“ wurden Panzermotoren für die Elsabe AG (Tarnfirma der Auto Union) hergestellt. Im kleineren Stollensystem „Richard II“ mussten die Inhaftierten ab November 1944 die Produktionsräume ausbauen. Hier sollte für die Tarnfirma der Firma Osram die Produktion der Glühfadenherstellung aufgenommen werden (vgl. gedenkstaette-flossenbuerg).
Aus dem KZ Dachau kamen die ersten 500 Häftlinge am 24. März 1944 an. Sie wurden in der Kleinen Festung in Theresienstadt eingesperrt. Insgesamt waren 18.000 Menschen im Außenlager Leitmeritz inhaftiert. Die meisten Transporte kamen aus Flossenbürg und aus dem KZ Groß-Rosen, Auschwitz-Birkenau und Dachau. Die Inhaftierten kamen aus Polen, der Sowjetunion, Deutschland, Ungarn, Frankreich und Jugoslawien. Etwa 4.000 Juden wurden von der SS deportiert. Die meisten von ihnen kamen aus Polen und Ungarn. Ab Februar 1945 mussten über 700 Frauen Zwangsarbeit in Leitmeritz verrichten (vgl. memorialmuseums). In ehrendem Gedenken an die über 4.500 Opfer legten wir Blumen nieder und hielten inne.
Terezín. Das Ghetto, welches dem Zweck diente, den Anschein der Selbstverwaltung der Juden und Jüdinnen zu erwecken, wurde von uns am kommenden Tag besichtigt. Der Ort hinterließ einen paradoxen Eindruck. Ich denke, dass wir es nicht für möglich hielten, dass die Stadt heute bewohnt wird. Bevor es das Vorzeige-Ghetto der Nazis wurde, mussten die Bewohner:innen zwangsumsiedeln. Bevor wir versuchen konnten, die Psychologie der Stadt zu verstehen, wurden wir darüber informiert, wie aktuell der Bauzustand der Stadt ist. Unser Tourguide Marek erklärte, dass die Gedenkstätte nicht die finanziellen Ressourcen aufbringen kann, um die Gebäude in der Stadt zu erhalten. Im Museum sahen wir den NS-Propagandafilm. Danach zeigte uns Marek den Betraum und die Replik der Mansarde in der Festungsstadt. Der Betraum als einen Ort, an dem der jüdische Glauben einen Raum fand. Allerdings wurde die Wandbemalung vom Hochwasser beschädigt. In der Replik der Mansarde wurde das Leben in einer Notunterkunft dargestellt. Eine Privatsphäre, die nur den wenigsten Häftlingen gewährt wurde. Vorbei an den zentralen Leichenhallen des Ghettos, Zeremonienraum und dem Kolumbarium gingen wir über den jüdischen Friedhof ins Krematorium. Auf Anordnung der SS-Kommandantur wurde das Krematorium 1942 von den Häftlingen errichtet. 30.000 Opfer aus dem Gefängnis in der kleinen Festung und aus dem Konzentrationslager Litoměřice wurden eingeäschert. Die Häftlinge mussten im Schichtdienst die Einäscherung der anderen Häftlinge verrichten.
„Das an den Öfen diensthabende Personal bemühte sich immer, die sterblichen Überreste der Toten gesondert aus dem Ofen zu schüren und auf die gleiche Art und Weise in die Urnen zu bergen. Eine besonders schwere Aufgabe für sie dann war, die Asche nach Goldbruchstücken aus den Resten der Zahnprothesen zu durchsuchen und diese den Angehörigen der SS-Kommandantur abzugeben“
Gedenkstätte Terezín
Der Lageralltag war geprägt durch Epidemien, Hunger, Krankheiten wie Bauchtyphus, Tuberkulose, Durchfall oder Hautausschlag. Marek erklärte uns, dass es nur einen Wagen gab, welcher genutzt wurde, um Brot und Leichen zu transportieren.
Über 58.000 Menschen waren zeitgleich in Theresienstadt inhaftiert. Vom 24.11.1941 bis 20.04.1945 wurden 139.667 Menschen nach Theresienstadt deportiert. Sie kamen aus dem Protektorat Böhmen und Mähren, den besetzten böhmischen und mährischen Grenzgebieten, Deutschland, Österreich, Niederlande, Dänemark, Slowakei, Ungarn. Von 8 Personen konnte der Herkunftsort nicht festgestellt werden (vgl. Ludmila Chládková: Ghetto Theresienstadt, 2005, S. 54) Über 15.000 Kinder waren unter ihnen. Nur etwa 150 haben von ihnen überlebt (vgl. topfundsoehne.de).
„Theresienstadt war das Vorzimmer von Ausschwitz!“
Inge Auerbacher, hat in Theresienstadt überlebt
86.934 Personen wurden nach Riga, Izbica, Malý Trostinec, Sobibor, Majdanek, Treblinka und nach Auschwitz-Birkenau deportiert. 3.586 von ihnen haben überlebt (vgl. Ludmila Chládková: Ghetto Theresienstadt, 2005, S. 54).
Auf dem Nationalfriedhof legten wir Blumen nieder und ehrten die Opfer. Danach besichtigten wir die kleine Festung. Diese diente als Gefängnis zur Habsburgerzeit. Während des Naziregimes diente es als Polizeigefängnis der Prager Gestapo. Die Kleine Festung blieb bis zur Befreiung im Mai 1945 Gestapogefängnis. „Etwa 32.000 Personen (27.000 Männer und 5.000 Frauen) wurden während der Jahre zwischen 1940 und 1945 inhaftiert“ (ghetto-theresienstadt.de).
Lidice. Am 20. Mai fuhren wir nach Lidice. Ein Ort, der nur schwer zu fassen ist. Die Gestapo machte Lidice am 10. Juni 1942 nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich auf Befehl von Karl Hermann Frank den Erdboden gleich. Daraufhin wurden 173 Männer erschossen. 143 Frauen wurden zur Zwangsarbeit in Konzentrationslagern verschleppt. 42 Mädchen und 40 Jungen aus Lidice wurden im Vernichtungslager Chelmno ermordet. Das Denkmal von Marie Uchytilová mahnt und erinnert an die über 13 Millionen Kinder, die im zweiten Weltkrieg ermordet worden sind. Fahrt selbst an diesen Ort und schaut in die Gesichter der Kinder.