Erinnerungsveranstaltung für drei Antifaschisten

11. November 2022

Anlässlich des 40. Todestages von Marcel Paul

Autor: Jürgen Powollik (BG Saalfeld/Rudolstadt)


Walter Bartel: Im März 1939 verhaftet und in das KZ Buchenwald verbracht. Dort war er in den Kommandos Zimmerei sowie Arbeitsstatistik eingesetzt. Hier wurde er zusammen mit Ernst Busse und Harry Kuhn bald darauf Mitglied der illegalen Parteileitung, und seit 1943 war er der Vorsitzende des Internationalen Lagerkomitees, das den Widerstand im Lager koordinierte. Nach der Befreiung durch die 3. US-Armee wurde er vom amerikanischen Lagerkommandanten paritätisch als gleichberechtigter Leiter des ehemaligen Lagers anerkannt.

Marcel Paul: Ein französischer Politiker (PCF) und Gewerkschafter. Er kämpfte in der Résistance und gehörte als Industrieminister drei aufeinanderfolgenden Regierungen an.
Im November 1941 wurde Paul nach einer Denunziation festgenommen. Am 27. April 1944 wurde er in das Vernichtungslager in Auschwitz verbracht, wo ihm eine Nummer eingestochen wurde. Am 14. Mai erfolgte der Weitertransport der französischen Gefangenen in das Konzentrationslager Buchenwald.
Zusammen mit André Leroy und Jean Lloubes organisierte er in Buchenwald weiteren Widerstand im Untergrund im sogenannten «comité des intérêts français», dessen Vorstand er angehörte. Dies ermöglichte ihm, zahlreiche Mitgefangene, wie beispielsweise Marcel Dassault, vor dem sicheren Tod zu retten, bedeutete aber auch, dass er über die Zuteilung von schwerer Zwangsarbeit entscheiden musste.

Pierre Durand: Ein französischer Kommunist, Kämpfer in der Résistance, Häftling im KZ Buchenwald und Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos.
Im Mai 1944 in das KZ Buchenwald deportiert, erhielt er dort die Häftlingsnummer 49.749.
Er beteiligte er sich am Häftlingswiderstand und wurde Mitglied des Internationalen Lagerkomitees (ILK). Durand setzte sich für die Zusammenarbeit von deutschen und französischen Häftlingen ein und fungierte auch als Dolmetscher.
Nach der Befreiung der Häftlinge durch die 3. US-Armee sprach er am 19. April 1945 den „Schwur von Buchenwald“ in französischer Sprache.
Von 1982 bis 2001 leitete er als Präsident das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos. Viele Male nach der Befreiung des Lagers kam er nach Buchenwald, um die nachfolgenden Generationen an das Vermächtnis der Überlebenden zu erinnern: 

„Wir sind nicht die Klageweiber der Geschichte. Wir sind der lebende Beweis dafür,
daß der Kampf für Freiheit, Frieden und Glück immer möglich ist. Unser langes
Leben hat uns gelehrt, daß man nie aufgeben darf, daß man im Herzen die Flamme
der Hoffnung und den Willen bewahren muß, eine bessere Welt aufzubauen, eine
Welt, die der Menschheit würdig ist. Diesen Wunsch haben wir mit unserem Schwur
am 19. April 1945 ausgedrückt. Jetzt müssen Sie ihn in die Tat umsetzen. “

Pierre Durand, Rede am Glockenturm der Gedenkstätte, April 2001

Gedenken an die Novemberpogrome

9. November 2022

,

In ganz Thüringen gedachten heute Kameradinnen und Kameraden der Opfer

Am 9. November 1938 und an den darauffolgenden Tagen fanden im gesamten Deutschen Reich Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung statt. Die seit dem „Anschluss“ im März 1938 begonnene Vertreibung und Enteignung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialist:innen wurden damit radikalisiert und systematisiert. Erstmals im ganzen Land kam es zu Massengewalt und Massenverhaftungen gegen Jüdinnen und Juden.

Zwischen dem 7. und 13. November wurden im ganzen Reichsgebiet mehrere hundert Juden ermordet, mindestens 300 nahmen sich das Leben. Um die 1,400 Synagogen, Betstuben und Versammlungsräume jüdischer Menschen sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden gestürmt und zerstört. Ab dem 10. November folgten Deportationen jüdischer Menschen in Konzentrationslager. Mindestens 30.000 Menschen wurden dabei interniert, Hunderte starben an den Folgen der mörderischen Haftbedingungen oder wurden hingerichtet.

Die pogromartigen Ausschreitungen wurden vom größten Teil der nichtjüdischen Mitbürger:innen nicht nur widerstandslos zur Kenntnis genommen, sondern von vielen aktiv mitgetragen.

Ich war nicht überrascht über die Gewalt, auch nicht als Kind. Und doch: Das schrille
Grölen, das Klatschen, das höhnende Lachen, das Feuer, die Splitter und herabstürzenden
Trümmer – je mehr ich sah, desto größer wurde meine Angst. Bis zum 9. November 1938
hatte ich die Demütigungen und Anfeindungen verkraften können, und auch verachtet und
bespuckt zu werden. In dieser Nacht der Erbarmungslosigkeit aber überkam mich die
Verzweiflung. […] In jener Nacht am 9. November 1938 begriff ich: Wir haben unser
Existenzrecht verloren.

Charlotte Knobloch, von 2006 bis 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland,
hat den 9.11.1938 als Sechsjährige in München miterlebt.

77. Pflanzaktion im Rahmen des Projekts „1.000 Buchen“

9. November 2022

,

Wie Ihr sicherlich gehört habt, wurden diesen Sommer mehrere Gedenkbäume des Projektes „1.000 Buchen“ des Lebenshilfe-Werks Weimar/Apolda beschädigt und zerstört. Wir haben in den vergangenen Monaten Geld für neue Bäume gesammelt. Dank Eurer Hilfe ist es uns gelungen, gleich zwei neue Gedenkbäume stiften zu können. Diese sollen am Mittwoch, den 7. Dezember 2022, mit weiteren Gedenkbäumen unter Beisein des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und Oberbürgermeister Peter Kleine gepflanzt werden.

Wir haben uns dafür entschieden, unsere Bäume zwei fast vergessenen Widerstandskämpfern, die das Naziregime nicht überlebten, zu widmen:

Otto Speßhardt (4.11.1911 – 20.3.1945) aus Eisenach, Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD)
Ewald Stübler (13.08.1881 – 05.01.1945) aus Suhl/Goldlauter, Mitglied der Widerstandsgruppe Friedberg

Diese Pflanzaktion wird an zwei Standorte stattfinden, die nah beieinander liegen: Marienhöhe und Herders Ruh (gelegen nördlich der B7 zw. Kreuzung B7/Ettersburger Str. und Kreisverkehr Schöndorf). Beginn ist 11.00 Uhr. Wir werden ab 10.30 Uhr vor Ort sein. Die Veranstaltung wird etwa zwei Stunden dauern. Für ältere Kamerad:innen werden wir Klappstühle dabei haben.

Die Person hinter dem Schild

9. November 2022

Straßenschild in Bad Salzungen mit Information versehen

Autor: Klaus-Martin Luther (BG Bad Salzungen)

Für Nichteingeweihte verbindet sich der Name Martin Luther sicher mit dem großen deutschen Reformator aus dem 16. Jahrhundert. Das stimmt in diesem konkreten Fall aber nicht, denn dann würde vor dem Namen noch das „Dr.“ stehen. Diese Straße wurde nach dem 1892 geborenen Bad Salzunger Arbeiter, Kommunisten und Antifaschisten Martin Luther benann Und ich bin zufällig einer seiner 5 Enkel. Mitte des vorigen Jahrhunderts, als „Sälzinge“ noch eine überschaubare Anzahl von Bürgern hatte, wo jeder fast jeden noch persönlich kannte, war mein Großvater als der,,Luthers Märte“ von der „Steinernen Mauer“ gut bekannt. Die Luthers wohnten in der Sophienstraße 2. Hier war ich als Kind sehr oft Pensionsgast. Ich kann mich auch noch sehr gut an meinen Opa erinnern. Gerne nahm er mich Steppke Sonntags mit zum Fußballspiel von Stahl Bad Salzungen auf den Haad. Anschließend ging es immer den Weinberg hoch zum bekannten Ausflugslokal ,,Jungs Höh“ (später Waldschänke) zum Luthers Hain, seinem Bruder. Da gab es dann für mich immer eine Bockwurst mit der obligatorischen Waldmeisterlimonade.

Politisch aktiv war mein Opa sein ganzes Leben lang. Ob in der Gewerkschaftsbewegung oder später als Mitbegründer der KPD Ortsgruppe Bad Salzungen. In den 30er Jahren war er auf Grund seiner politischen Einstellung oft arbeitslos. Er musste zusehen, wie er mit seiner Familie über die Runden kam, meist waren es Gelegenheitsarbeiten, u.a. schusterte er zu Hause. Sein Schusterwerkzeug ist übrigens noch in meinem Besitz, auch etliche Bücher aus seinem großen Bücherschrank, er liebte Bücher.

In der Nazizeit gehörte er auch nicht zu den Leisetretern. Er war immer mittendrin in den politischen Auseinandersetzungen:

  • ob bei den illegalen Treffen im Ratskeller mit weiteren Antifaschisten der Neubauer/Poser Widerstandsgruppe
  • ob bei Aktionen zur Rüstüngssabotage in der Fa. Schmölle & Co (spät. Hartmetallwerk Immelborn)
  • ob bei der Unterstützung ausländischen Zwangsarbeiterinnen, die in den Rüstungsbetrieben unter unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen schuften mussten.
  • oder als er gemeinsam mit seinem Genossen Karl Fischer und einer weißen Fahne am 4. Mai 1945 dem Vorauskommando des 358 amerikanischen Infantrie-Bataillons entgegen ging und am ehemaligen Pumpenhäuschen die Stadt kampflos übergaben. Dem voraus gingen schwierige Gespräche mit dem schon bewaffneten Volkssturm, der letztendlich die Waffen niederlegte.

Das sagt sich heute alles so leicht, geht leicht über die Lippen, aber damals war das alles sehr mutig, weil sehr gefährlich. Unmittelbar nach Kriegsende half mein Opa in wichtigen Funktionen mit das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben wieder in Gang zu setzen. Bereits im Mai 1945 wurde er zum 2. Bürgermeister gewählt und war auch 5 Jahre Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung. 1967 verstarb er. Seine letzte Ruhestätte fand er im 1986 errichteten Ehrenhain für antifaschistische Widerstandskämpfer auf dem Husenfriedhof.

Ein letzter Gedanke, rein hypothetisch: Was würde er wohl empfinden, wenn er uns heute zuschauen könnte?
Zum einen natürlich Freude über die persönliche Ehrung, auch Respekt vor den derzeit vorherrschenden demokratischen Verhältnissen.
Aber sicher auch ein großes Unverständnis darüber, das 77 Jahre nach der Befreiung des KZ Buchenwald der Schwur der 20.000 überlebenden Häftlinge, den Faschismus mit all seinen Wurzeln auszurotten, immer noch nicht erfüllt ist! Immen noch können alte und neue Faschisten unbehelligt auf der Straße marschieren und ihre verbrecherische Ideologie verbreiten. Dagegen müssen wir uns, müssen sich alle demokratische denkenden Bürger mit allen Kräften wehren. Zur Vision einer anderen, einer gerechten Welt, einer Welt des Friedens und der wirklichen Freiheit gibt es keine Alternative!

75 Jahre Thüringer VVN

2. November 2022

Autorin: Anne Maddouch

Am 8. Oktober 2022 fand die 75 Jahr-Feier des VVdN/BdA Thüringen in der Gedenkstätte Buchenwald statt. Zu diesen besonderen Anlass wurden Freund:innen des TVVdN/BdA, Kamerad:innen und Unterstützer:innen von der Landesvorsitzenden Kati Engel geladen.

Elke Pudszuhn

Ein Dreivierteljahrhundert antifaschistische Praxis. Dies bedeutet seit ihrer Gründung 1946 den Kampf gegen den Faschismus, der bis heute anhält. Darauf verwies auch die Ehrenvorsitzende des Landesverbandes, Elke Pudszuhn, dass „Antifaschismus unverzichtbar bleibt“. Außerdem erinnerte sie in ihrer Rede an die Schwierigkeiten, die durch Behörden der VVN-BdA gemacht worden sind. Hierzu zählen die staatlichen Repressionen in der BRD die Vereinigung zu verbieten und der Zwang zur Auflösung in der DDR. Und auch in der jüngeren Zeit wurde der VVN-BdA durch den Verfassungsschutz diffamiert und musste unter Beweis stellen, dass sie gemeinnützig ist. All dies hat die Vereinigung erfolgreich geschafft.

Kati Engel betonte in ihrer Rede, dass die Vereinigung gestärkt aus dem Kampf um die Gemeinnützigkeit hervorging und „wir mehr Mitglieder haben denn je“. Ein Dreivierteljahrhundert antifaschistische Praxis, die nur durch Menschen möglich wurde, die den Mut nicht verloren haben, für eine Welt des Friedens und der Freiheit zu leben. Die bereit waren sich den Herausforderungen und Steinen der rechten Hetzer:innen in den Weg zu stellen.

Kati Engel und Karl-Heinz Voigt

Karl-Heinz Voigt, Mitglied des Landesvorstandes, übergab symbolisch einigen jüngeren Kamerad:innen das Buch: „Das faschistische Echo der Vergangenheit“ mit den Worten: „Sein ganzes Leben war er umgeben von der antifaschistischen Familie“. Es sei die Haltung der Kamerad:innen die, der VVN-BdA den Kompass weist. Heute braucht es die progressiven Kräfte, die sich zum einen den Neofaschist:innen in den Weg stellen und ihre Hetze „entzaubern“. Und zum Anderen braucht es soziale Antworten auf die Existenzängste der Menschen. Wir stehen dafür ein, dass Geflüchtete, das vollständige Recht auf Asyl erhalten und fordern, dass nicht das Leid der einen gegen das Leid der anderen ausgespielt wird. Es braucht eine soziale Umverteilung und den vollständigen Umwelt -und Klimaschutz, nur so wird die Demokratie sich wehren können.

 […] im Namen des Internationalen Komitees Buchenwald Dora und Kommandos, im Namen meiner Häftlingskameraden, im Namen derjenigen, die sich Menschen nennen, möchte ich der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und dem Bund der Antifaschisten von Thüringen unseren tiefen Dank für seine Unterstützung aussprechen, und ihnen weitere Kraft wünschen. Der Kampf ist noch lange nicht beendet. Wir haben bisher gemeinsam gekämpft und wir werden unseren Weg Hand in Hand weitergehen. Aber ohne ihn, ohne euch, wären wir tot. Und wir wollen ja leben, in Würde und Frieden.

Naftali Fürst, Präsidenten des IKBD

Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Sie sind in der Gedenkstätte hochwillkommen. Lassen Sie uns gemeinsam für eine geschichtsbewusste, plurale, offene, humane und friedliche Gesellschaft kämpfen. Vielen Dank für Ihr Engagement und herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag!

Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftungsdirektors der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Neuer Landesvorstand gewählt

15. Oktober 2022

, , ,

Delegierte treffen sich zur 17. Landesdelegiertenkonferenz in Buchenwald

Im Anschluss des Festaktes anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Thüringer VVdN-BdA fanden sich die Delegierten des Verbandes in der ehemaligen Häftlingskantine zur 17. Landesdelegiertenkonferenz zusammen. Auf der Tagung wurde unter anderem der Landesvorstand neu gewählt. Kati Engel wurde in ihrem Amt als Landesvorsitzende bestätigt, genauso wie Karin Schrappe als ihre Stellvertreterin und Christiane Schütze als Schatzmeisterin. Neu im Geschäftsführenden Vorstand ist Anne Maddouch als Beisitzerin. Als weitere Mitglieder des Landesvorstandes wurden gewählt: Uwe Adler, Mathias Adorf, Bernd Ahnicke, Wolfgang Heise, Felix Ihle,Carolin Pfeifer, Elke Pudszuhn, Jürgen Powollik, Hans-Ullrich Schmoll, Heidemarie Schwalbe und Karl-Heinz Voigt.

„Wir bedanken uns bei allen Kameradinnen und Kameraden, die aus dem Landesvorstand ausscheiden, für ihre geleistete Arbeit und ihr Engagement. Ganz besonders möchten wir uns bei unseren alten Beisitzern, Mathias Adorf und Joachim Richar, bedanken. Allen Neugewählten wünschen wir viel Freude und stets gutes Gelingen bei ihren bevorstehenden Aufgaben“, äußert sich Kati Engel nach der Wahl.

Delegierte der 17. LDK auf dem ehemaligen Appellplatz der Gedenkstätte Buchenwald

Schuldumkehr im Stadtmuseum Kahla 

29. September 2022

Autorin: Anna Maddouch (BG Jena)

Die Basisgruppe Jena hatte sich für dieses Jahr vorgenommen, Referenten*innen zu verschiedenen Themen einzuladen. Am 14. Juni stand ein Vortrag über den Walpersberg bei Kahla und eine Führung vor Ort mit einer Besichtigung des dortigen Stadtmuseums an. Die Veranstaltung wurde vom Förderverein Mahn- und Gedenkstätte e.V. unter Frau Steffi Brion durchgeführt.

Neben Informationen zu dem Walpersberg und der REMAG im Stadtmuseum Kahla, wurde der Mord eines belgischen Inhaftierten zu „seiner“ eigenen Schuld umgedeutet. 

„Der Häftling hätte sich, wie jede andere Person anstellen sollen bei der Essensausage. Er habe sich jedoch das Recht herausgenommen und sich vorgedrängelt, indem er, vorbei an den anderen durch den Hintereingang der Essensbaracke den Weg nehmen wollte. Es wäre zu einem Streit gekommen mit einem Aufseher. Dieser hat den Inhaftierten erschossen.“

„Hätte er gewartet, wie alle anderen auch, dann wäre er nicht erschossen worden.“

Frau Brion wurde sofort auf die Schuldumkehr hingewiesen. Sie reagierte jedoch ausweichend und behielt ihren Standpunkt. In dem Kontext äußerte sie, dass die NS-Zeit nicht nur, schwarz und weiß wäre, sondern aus vielen Grautönen bestehen würde.

Aus „falschem“ Anstand blieb die Gruppe bis zum Ende ihres Rundgangs. Im Vorfeld wurde eine Besichtigung des Walpersberg im Herbst mit Frau Brion geplant, welche wir nicht umsetzten werden.

Die Führung durch eine Ausstellung der NS-Zeit ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Wenn diese mit Täter-Opfer-Umkehr in Bezug auf die Opfer durchgeführt wird, ist es nicht verwunderlich, dass der Nährboden sich für Geschichtsrevisionismus weiter ausbreitet. Zukünftig werden wir solchen Personen keine Plattform mehr bieten. 

Der nächste Vortrag wird am 10. Oktober um 18 Uhr an der Universität Jena im Rahmen der Alternativen Orientierungstage stattfinden. Der Journalist Frank Döbert wird über Carl Zeiss während des Nationalsozialismus sprechen.

Suhler Basisgruppe wählt neuen Sprecherrat

23. September 2022

, ,

Die Suhler Basisgruppe des Thüringer Verbandes der VdN/BdA hat in ihrer Mitgliederversammlung Rechenschaft über die Arbeit in den letzten zwei Jahren abgelegt. Zudem wurden der Sprecherrat und die Delegierten zur Landesdelegiertenkonferenz am 8. Oktober in Weimar gewählt.

Elke Pudszuhn als bisherige Vorsitzende konnte über viele Aktivitäten trotz Corona in schwieriger Zeit berichten. Die Ehrung der am 5. Januar 1954 Ermordeten der Widerstandsgruppe Friedberg, die Teilnahme am 27. Januar, dem offiziellen Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus, insbesondere der Jüdischen Opfer, gehörten ebenso dazu wie das Gedenken auf dem Heinrichser Friedhof, am OdF-Denkmal im Stadtpark oder die aktive Mitarbeit im Bündnis für Demokratie, Toleranz und gegen Rechtsextremismus.
Mit bewegenden Worten wurde im Bericht und in der nachfolgenden Diskussion an das Vermächtnis der Überlebenden der Hitler-Diktatur erinnert: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! So hieß es im Bericht: „Der aktuelle Krieg und die Gräueltaten gegen die ukrainische Zivilbevölkerung verurteilen wir auf das Schärfste. Für diesen Krieg sind aber nicht die sowjetischen Soldat:innen oder Widerstansdkämpfer verantwortlich, welche gegen den deutschen Faschismus gekämpft haben. Aus unserer Sicht muss ein würdevolles Gedenken und Erinnern an alle Opfer des Faschismus mit Respekt weitergeführt werden, wie wir das seit 1945 tun.“ In der Diskussion wurde deutlich, dass es in der heutigen Zeit nicht nur um Erinnerung an Vergangenes geht, sondern es bleibt unsere Verpflichtung, die politische Auseinandersetzung mit jeglichen Erscheinungen des Neofaschismus, des Antisemitismus, des Rassismus und von Ausländerfeindlichkeit zu führen.

Mit Freude wurde vernommen, dass die Basisgruppe Suhl/Südthingen in den letzten Monaten 12 Neueintritte zu verzeichnen hatte, darunter zahlreiche junge Leute, und somit nun über 43 Mitglieder verfügt.

Besonderer Dank galt Elke Pudszuhn, die über Jahrzehnte als Tochter der Zella-Mehliser Widerstandskämpfer Hans und Else Raßmann die Arbeit der VVN/BdA in Suhl und im Land Thüringen maßgeblich mitgestaltet hat. Der Dank galt auch Hella Auerswald als Schatzmeisterin und weiteren Mitgliedern des Sprecherrates, die aus Altersgründen nicht wieder antraten.

Dem neu gewählten Sprecherrat gehören an: Bernd Ahnicke, Jonas Kühnert, Ina Leukefeld, Heidemarie Schwalbe und Elke Pudszuhn. Eines der nächsten Vorhaben ist die Mitarbeit im Bündnis zur Durchführung von Veranstaltungen anlässlich des 84. Jahrestages der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938, wo sich Heidemarie Schwalbe seit Jahren besonders engagiert.

Elke Pudszuhn

Geraer Bürgerinnen und Bürger gedenken der Opfer des Faschismus

21. September 2022

,

Autor: Dieter Hausold (BG Gera)

Wie alljährlich am zweiten Sonntag im September gedachten am 11. dieses Monats zirka 50 Menschen am Mahnmal im Geraer Küchengarten den Opfern des Hitler-Faschismus. Unter ihnen Bundestagsabgeordnete Elisabeth Kaiser (SPD), Landtagsabgeordneter Andreas Schubert (DIE LINKE), die Dezernentin und Beigeordnete für Gesundheit und Soziales, Sandra Wanzar sowie Mitglieder des Stadtrates und der demokratischen Parteien Geras.

Zu Beginn der Gedenkveranstaltung legten die Anwesenden Kränze und Blumen zur Ehrung der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und zur Erinnerung an jene Menschen nieder, die dem Terrorregime Widerstand leisteten.
Dieter Hausold, Vorsitzender der Basisgruppe VdN/BdA Gera, verwies auf die Folgen von Hitlers Machtergreifung vor fast 90 Jahren. Die industrielle Ermordung von mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden, von Sinti und Roma, die Euthanasie, die Verfolgung und Hinrichtung von zigtausenden Menschen des politischen Widerstandes. Schließlich insgesamt mehr als 60 Millionen Tote im zweiten Weltkrieg, ein verwüstetes Europa. „Diese Verbrechen sind singulär,“ so Hausold, „deshalb gilt es immer wieder die Frage zu stellen, wie konnte es soweit kommen?“
Der Redner machte vor allem drei Gründe aus. Reaktionäre Politiker, die die Demokratie verabscheuten, die nach dem Motto „Deutsche zuerst“ – wie heute die AfD – einen autoritären, rassistischen Staat errichten wollten. Die großen Banken und Konzerne und die Rüstungsindustrie, die im Krieg verdienen wollten. Schließlich die letzten Regierungen der Weimarer Republik, die mit immer weiterem Sozialabbau die Not der Menschen verschärften, so dass sie für die braune Propaganda immer anfälliger wurden.
„Weil rechtsextreme und rassistische Parteien“, so Hausold abschließend, „schon wieder auf Straßen und Plätzen ihre Parolen verbreiten, die AfD auch in Parlamenten und Kommunalvertretungen agieren, gilt es für alle Demokraten, diesen Kräften überall entschieden entgegen zu treten.“ Zugleich komme es darauf an, „für eine solidarische und soziale Gesellschaft zu streiten, in der die Lasten der aktuellen Krisen eben nicht auf jene Menschen abgewälzt werden, die eh schon die geringsten Einkommen und größten Belastungen haben.“

Weil rechtsextreme und rassistische Parteien schon wieder auf Straßen und
Plätzen ihre Parolen verbreiten, die AfD auch in Parlamenten und Kommunalvertretungen agieren, gilt es für alle Demokraten, diesen Kräften überall entschieden entgegen zu treten.

Dieter Hausold

Sandra Wanzar unterstrich in ihrem Beitrag, „das es in Gera viele Menschen gibt, die sich für ihre Mitbürgerinnen, insbesondere für Menschen in Not, einsetzen.“ Das gilt, so die Beigeordnete „insbesondere auch für Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten und zu uns kommen.“ Im weiteren betonte sie, dass angesichts der Lehren aus der Geschichte Demokratie und Menschlichkeit entschieden verteidigt werden müssen.

Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Kaiser unterstrich die Aktualität, immer wieder daran zu erinnern, wohin Nationalismus, Ethnozentrismus und Rassismus führen. „Deswegen ist es so wichtig“, so die Abgeordnete, „der Millionen Opfer zu gedenken, die Erinnerung wach zu halten, denn nur so lässt sich das Bewusstsein schärfen und Menschenfeindlichkeit erkennen.“ Sie verwies dabei auch auf heutige Opfer rechter Gewalt. „Seit der Wiedervereinigung“, so Kaiser, „sind 218 Menschen durch rechte Gewalt ums
Leben gekommen.“
Die Rednerin betonte, dass rechtsextreme Aufmärsche nicht als „Spaziergänge“ verharmlost werden dürften und das Gera Gesicht zeigen müsse, gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit, wie dies auf der Veranstaltung im Küchengarten, aber auch Tags zuvor durch viele junge Menschen in der Stadt geschehen sei.

Rede von Martina Renner zum Tag der Opfer des Faschismus 2022

20. September 2022

Liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Engagierte,

ich möchte mit einer persönlichen Begegnung am letzten Wochenende in Wien beginnen. Zusammen mit Aktiven des KZ-Verbandes war ich zu einem antifaschistischen Spaziergang über den Zentralfriedhof verabredet. Irgendwann standen wir vor einer recht monomentalen Bronze. Dem Denkmal für die gefallenen Partisan*innen des ehemaligen Jugoslawien, die ihr Leben im Kampf gegen den Faschismus ließen. Auf dem Plan zum Friedhof ist dieser Gedenkort mit „serbische Opfer des 1. Weltkriegs“ markiert. Kein Wunder angesichts der offiziellen Geschichtspolitik des Landes Österreich sich selbst zum Opfer zu stilisieren und mit dem antifaschistischen Widerstand zu hadern. Antifaschist*innen haben diesen Ort vor einigen Monaten entdeckt, einen vollkommen überwachsenden Marmorkubus mit einer Inschrift freigelegt und diesen 9.Mai dort ein Gedenken abgehalten. 

Hier in Bad Salzungen gibt es ein ähnliches Beispiel. Eine Tafel am Rathaus erinnerte an das Wirken von Magnus Poser und Theodor Neubauer. Irgendwann verschwand diese und Kameraden vor Ort machten sich auf die Suche, auch im Internet. Dann tauchte sie ganz plötzlich wieder auf, vermeintlich zufällig gefunden in Trier. Man kaufte sie zurück und verhandelt jetzt mit der Stadt über eine Stele mit eben dieser Plakette und entsprechende Hinweistafel hier auf dem Friedhof, am Gedenkort, wo wir uns gerade befinden. Diese Beispiele zeigen: Erinnerung ist ein umkämpfter Ort. Gedenken ist kein Ritual. Es muss sich verändern, es muss den Blickwinkel auf die Opfer des Faschismus weiten, insbesondere heute da die Zeitzeug*innen uns verlassen. An uns den politischen Erben der Zeitzeug*innen liegt es den Schwur von Buchenwald „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ gerade auch für die junge Generation zu aktualisieren. Mahnung, Erinnerung an die Opfer und aktives Engagement sind untrennbar verbunden. 

Das Gedenken ist umkämpft und sie ist nicht abgeschlossen. Wir werden auch weiterhin Teil sein der historischen Forschung, der Sicherung der Lebenserinnerungen von Widerstandskämpfer*innen und Opfer des Faschismus. Ihre Namen, ihre Geschichte zu kennen und weiterzuerzählen ist die Basis. Die Mahnung wird gelingen wenn wir Übersetzer*innen sind. Was hat der Schrecken der faschistischen Terrorherrschaft mit dem rechten Terror heute gemeinsam? Die Ideologie aber auch das Morden in Serie, die Kaltblütigkeit? Über diese Mahnung kommen wir zur Aktion.

In einer Ausstellung der RLS zum italienischen Widerstand wird auf einer Tafel ein Partisan mit „Ich hasse die Faschisten“ zitiert. Ich finde das überhaupt nicht schlimm. Wütend zu sein ist ein guter Motor. Wir sind heute wütend, wenn Faschist*innen sich noch immer Räume und Straßen nehmen können. Es macht mich sprachlos, dass ihr von Vernichtungsfantasien geprägtes Weltbild noch immer neue Anhänger:innen findet. Es macht mich rastlos, dass sie wieder in deutschen Parlamenten sitzen. Deshalb gilt der Schwur von Buchenwald uneingeschränkt; er verpflichtet uns, ja er zwingt uns zur Aktion.

Diesen Kampf, unseren antifaschistischen Kampf, werden wir gewinnen! Und wir geben so lange nicht auf, bis wir dem Schwur von Buchenwald gerecht geworden sind.

Dazu gehört allerdings auch, klar und deutlich zu sagen, dass der Frieden auf der Welt fragil ist. Nach den Jugoslawienkriegen hatte man den Eindruck in Europa in einer Phase relativen Frieden zu leben. Diese Phase wurde durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine durchbrochen. Nie wieder Krieg und damit eine sichere Welt des Friedens und der Freiheit ist auf ein Neues gescheitert. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die Konflikte dieser Welt beendet werden, denn eins ist so sicher wie wahr: Kriege enden nicht, sie ziehen weiter. Imperiale Bestrebungen werden erst ruhen, wenn ihr Vormacht- und Großmachtstreben befriedigt ist. Dazu darf es nicht kommen.

Ich will mit noch einer Begebenheit aus Wien enden. Nachts standen wir auf dem Heimweg vor dem Sowjetischen Ehrenmal am Ring in Wien. Jemand konnte die Inschrift übersetzen: Im ersten Satz wurde der 3. Ukrainischen Front der roten Armee gedankt, die die österreichische Hauptstadt befreit hatten. Die ersten schweren Kämpfe fanden auf dem Zentralfriedhof statt. Fast jeder alte Grabstein dort zeigt Einschusslöcher. Das erinnert uns daran, wie unser Antifaschismus, unser Engagement gegen Krieg und unser Internationalismus sein müssen: ohne Instrumentalisierung, offen, historisch gerecht und solidarisch.

Ich danke Euch für das Kommen.

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten