19. April 2022
Jüdisches Leben im mittelalterlichen Saale Holzland Kreis
Autor: Florian Hellbach (BG Jena)
Den Auftakt zu einer Reihe spannender Vorträge, die in diesem Jahr in der Ortsgruppe Jena gehalten werden, machteder Historiker Danny Grabe von der Universität Jena. Er nahm uns mit auf eine Reise in den Saale Holzland Kreis zur Zeit des Mittelalters und begab sich mit uns auf die Spurensuche nach jüdischem Leben.
Herr Grabe begann seinen Vortrag mit einem Überblick zum jüdischen Leben in Thüringen und der jüdischen Gemeindestruktur, bevor er genauer auf jüdisches Leben im Saale Holzland Kreis einging. So wurde uns berichtet, dass die ersten Spuren jüdischen Lebens in den 1050er Jahren in Erfurt zu finden sind. Schriftlich fassbar wird ihre Gemeinschaft im Erfurter Judeneid aus der Zeit um 1200. Dies war ein gesonderter und von der Stadt anerkannter Eid für die jüdischen Mitbewohner, die, beispielsweise bei Rechtsgeschäften, aus religiösen Gründen nicht auf die Bibel schwören konnten und durften. Neben diesem Eid, der Hinweise auf jüdisches Leben gibt, ist ein weiterer Indikator dafür der Namenszusatz von Personen. Dadurch lässt sich 1235 in Gotha und 1237 in Frankenhausen jüdisches Leben bezeugen. Auch Pogrome gegen jüdische Mitbewohner lassen Rückschlüsse über jüdisches Leben zu. So 1235 in Eisenach und 1243 in Meiningen (die Juden hielten Pogrome im sogenannten Memor Buch fest, um derer zu gedenken).
Die Darstellung der Verwaltungsstrukturen mittelalterlicher jüdischer Gemeinden in Thüringen zeigte sehr deutlich, wie gefestigt das jüdische Leben in unserer Region war. So gab es mit Erfurt ein Kehilla, eine Art Kreisstadt für die jüdischen Gemeinden einzelner Städte nördlich des Thüringer Waldes, die Jischuw genannt wurden. In der Kehilla gab es einenFriedhof und ein Rabbinatsgericht. So wurden beispielsweise Juden, die in Jena lebten, in Erfurt bestattet.
Nach diesem Überblick zum jüdischen Leben im mittelalterlichen Thüringen und dessen Gemeindestrukturen, ging Herr Grabe nun genauer auf Städte und ihre Gemeinden ein, die in unserer Region liegen. So bezeugt eine Urkunde von 1379 jüdisches Leben in Jena. Auch Namen wie Judengasse (heutiger Leutragraben) und Judengraben (heutige Johannisstraße) lassen Rückschlüsse auf jüdisches Leben in diesem Quartier zu. So standen hier wohl sechs Häuser. Auch einzelne Personen aus jenem Viertel sind uns bekannt.
So Isaak der Reiche, der 4.302 Gulden an den Grafen von Orlamünde verlieh und dafür als Pfand das Schloss und die Stadt Gräfenthal bekam. Für Kahla ist jüdisches Leben aus dem Jahre 1423 schriftlich belegt. Auch hier ging es um Geldgeschäfte zwischen Juden und dem Grafen von Orlamünde. Der Name Isaak de Cale taucht 1382 in Erfurt auf und ist, so Herr Grabe, wohlmöglich ein Hinweis dafür, das jener Isaak aus Kahla stammen könnte. Für die Jahre 1424 bis 1425 sind vier berufstätige Juden in Kahla bekannt. Weiter ging die Reise Saale abwärts nach Pößneck, was streng genommen, nicht mehr im Saale Holzland Kreis liegt. Hier ist ein Erlass von Günther XV. von Schwarzburg aus dem 14. Jahrhundert erhalten, der festlegte, dass Juden jährlich vier Gänse als Abgaben zu entrichten hatten. Auch aus Pößneck gibt es Nachweise, das Juden in Geldgeschäften tätig waren. So 1372 mit dem Markgrafen von Meißen und dem Landgrafen von Thüringen, und 1423 wurde Abraham von Pößneck als Gläubiger des Grafen von Orlamünde genannt. Auch für die Stadt Dornburg ist wohlscheinbar jüdisches Leben belegt. Der Namenszusatz eines Jordan von Dorneburch lässt diesen Schluss zu. Aber Herr Grabe zeigte, dass dieser Zusatz auch für andere Städte stehen konnte.
Mit dieser Übersicht zu den Spuren jüdischen Lebens in unserer Gegend endete der Vortrag von Herrn Grabe. Anschließend hatten wir noch die Möglichkeit, Fragen zustellen. So erfuhren wird, dass während der Pestzeit von 1348/49 östlich der Saale keine Pogrome stattfanden. Eine weitere Frage beschäftigte sich damit, woher die Juden kamen, die sich hier in der Gegend niedergelassen haben. Sie stammten meistens aus dem Rheinland und hatten ihre ursprünglichen Wurzeln in den Städten Italiens gehabt. Aus dem Vortrag ging hervor, dass die Zeugnisse und Spuren jüdischen Lebens im Mittelalter in Thüringen im 15. Jahrhundert weniger wurde und manche Gemeinschaften verschwanden. Diese, so Herr Grabe, wanderten nach Osteuropa, nach Polen und in die Ukraine aus.
Wir bedanken uns nochmals herzlich für diesen interessanten Vortrag bei Herrn Grabe.
Der nächste Vortrag wird am 14. Juni stattfinden. In diesem wird es um die Rüstungsfabrik am und im Walpersberg gehen und wie dort unter unermesslichem Leid Zwangsarbeiter in Rekordzeit ein Flugzeugwerk, die REIHMAG, schufen. Wir könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mitteilen, wo und wann (auf jeden Fall später Nachmittag/ früher Abend) der Vortrag stattfindet.
Begleitend zu dem Vortrag wird es am 18. Juni durch den Förderverein „Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg e.V.“ eine Führung am Walpersberg geben. Diese beginnt um 9 Uhr am Stadtmuseum in Kahla und wird ungefähr 4 Stunden dauern.
Wir bitten um eine Anmeldung für den Vortrag und/ oder die Führung an folgende Adresse f.hellbach@icloud.com.