80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

23. Juni 2021

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Am 22. Juni 1941 überfielen die Armeen Hitlerdeutschlands und ihre Verbündeten die Sowjetunion. Dieser Krieg war nicht allein ein Eroberungskrieg um Raum und Ressourcen, es war von der Ideologie und Kriegsplanung ein Vernichtungskrieg. Dieser Vernichtungswille zeigte sich in zahlreichen Mordaktionen, die Wehrmachtseinheiten und Einsatzgruppen des SD (Sicherheitsdienst der SS) gegen Zivilist:innen in den okkupierten Gebieten verübten. Allein dem Massaker von Babi Jar fielen im September 1941 über 30.000 Menschen zum Opfer. Dieser Vernichtungskrieg brachte unendliches Leid über die Menschen und forderte mehr als 27 Millionen Opfer aus allen Teilen der Sowjetunion.

Es liegt in der Verantwortung heutiger Generationen, dass niemand diese Gräueltaten je vergessen oder relativieren darf. Wir erinnern daher daran, dass es die Einheiten der sowjetischen Streitkräfte waren, die im Verbund der Anti-Hitler-Koalition die Hauptlast der militärischen Befreiung Europas und auch unseres Landes getragen haben. Beginnend im Dezember 1941 mit der Schlacht vor Moskau, bei der die faschistische Illusion eines „Blitzkrieges“ platzte, im Februar 1943 mit der Niederlage der 6. Armee bei Stalingrad und dem anschließenden verlustreichen Vormarsch nach Westen. Möglich wurde dies im gemeinsamen Handeln der Roten Armee mit der Zivilbevölkerung, die in Leningrad eine Blockade von 900 Tagen standhielt, bevor es gelang, die faschistischen Aggressoren zu vertreiben, und an der Heimatfront enorme Anstrengungen in der Rüstungsproduktion unternahm, mit den Partisaneneinheiten, die im Rücken der deutschen Einheiten begannen, die Versorgungswege zu blockieren und mit Unterstützung der westalliierten Verbündeten, die durch Lieferung von Rüstungsgütern und weiteren Materialien die Kampffähigkeit der sowjetischen Streitkräfte unterstützten.

In Erinnerung an all diese Menschen, die sich für die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln und die Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit eingesetzt haben.

Wir trauern um Bertrand Herz

21. Mai 2021

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Am 20. Mai 2021, verstarb der Generalsekretär der Association Française Buchenwald Dora et Kommandos und Ehrenpräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, Bertrand Herz, im Alter von 91 Jahren. Er hinterlässt eine große Lücke.

„Wir müssen uns der Bedrohung elementarer Menschenrechte widersetzen und dürfen keinesfalls den Verlockungen des Populismus oder von Ideologien erliegen, die die Ausgrenzung Einzelner zum Ziel haben.“

Am 5. Juli 1944 wurde Bertrand Herz wegen seiner jüdischen Herkunft mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner ältesten Schwester von der deutschen Gestapo verhaftet, in Frankreich interniert und von dort mit seinem Vater nach Buchenwald deportiert. Seine Mutter und seine Schwester wurden nach Ravensbrück deportiert. Am 6. August 1944 wurde Bertrand Herz in Buchenwald unter der Nummer 69592 registriert. Danach musste er in Niederorschel/Thüringen, ein Außenlager des KZ Buchenwald, bei der Montage von Junkersflugzeugen Zwangsarbeit leisten. Sein Vater starb dort am 27. Januar 1945. Bertrand Herz wurde am 10. April 1945 zurück nach Buchenwald deportiert, wo er einen Tag später die Befreiung erlebte.

Bertrand war sich bewusst, dass auch über 70 Jahre nach dem Schwur von Buchenwald Rassismus und Nationalismus nicht beseitigt sind. So waren seine Worte auf dem Appellplatz anlässlich des 70. Jahrestages der (Selbst)Befreiung von Buchenwald:

„Ich fordere die Jugendlichen deshalb dazu auf, widerständig zu sein, wenn es darum geht, die Menschenrechte und die Freiheit zu verteidigen!“

Wir werden sein Vermächtnis bewahren und in Ehren halten. Möge Bertrand in Frieden Ruhen.

Das war der 8. Mai 2021

10. Mai 2021

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8. Mai, der Tag der Befreiung – was sonst?

In ganz Thüringen gedachten unsere Kamerad:innen und Antifaschist:innen der Opfer des Naziregimes und ehrten die gefallenen Kämpfer:innen. Unser Dank gilt den tapferen Soldat:innen der Anti-Hitler-Koalition, den antifaschistischen Widerstandskämpfer:innen, den Partisan:innen und nicht zuletzt den Häftlinge, welche auch unter schwierigsten Bedingungen die Rüstungsproduktion sabotierten.

Спасибо! Thank you! Merci! Danke!


Auf der zentrale Gedenkveranstaltung der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft und des TVVdN/BdA sprach für uns unsere Landesvorsitzende, Kati Engel:

„Heute ist der Tag, an dem sich die Kapitulation Nazideutschlands zum 76. Mal jährt.

Eines der brutalsten Regime der Menschheitsgeschichte wurde besiegt, besiegt durch die Kämpferinnen und Kämpfer der Armeen der Anti-Hitler-Koalition, durch den antifaschistischen Widerstandskampf, durch die Partisanen, durch Überläufer, durch Kriegsdienstverweigerer, und nicht zuletzt durch die Kämpferinnen und Kämpfer in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern, welche noch unter schwierigsten Bedingungen die Rüstungsproduktion sabotierten.

Die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht markierte das Ende von Terror, Holocaust und Vernichtungskrieg. Die Bilanz von zwölf Jahren deutschen Faschismus ist beispiellos: 60 Millionen Menschen verloren ihr Leben, davon: 25 Millionen Sowjets. 6 Millionen Jüdinnen und Juden wurden massenhaft Opfer dieser faschistischen Tötungsmaschinerie.
Politische Gegnerinnen und Gegner, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Menschen mit Behinderung und von den Nazis willkürlich als „arbeitsscheu und reich“ diffamierte Menschen wurden vergast, erschossen, erhängt, zertrampelt, erschlagen, erstickt, ersäuft, verbrannt, vergiftet, sind verhungert oder wurden abgespritzt.

Der 8. Mai ist damit auch der Tag, an dem wir innehalten und an ihre millionenfache Opfer erinnern und gedenken.

In Deutschland erlebten in erster Linie die überlebenden Verfolgten und die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung. Aber auch wir alle, so wie wir heute hier stehen, verdanken unsere Leben in Frieden und Freiheit den Siegermächten des 8. Mai. Die alliierten Streitkräfte, insbesondere die Rote Armee, die die Mehrheit der Kämpfe austrug, sind und bleiben daher auch unsere Befreier.
Der Krieg endete nur, weil sich Millionen Soldatinnen und Soldaten mit großem Mut und unter dem größtmöglichen persönlichen Risiko der Tyrannei entgegenstellten.
Alle jenen, die für die Freiheit kämpften, sind wir zu größtem Dank verpflichtet.

Cпасибо.
Thank you.
Merci.
Vielen Dank.

Wir verneigen uns tief vor den Soldatinnen und Soldaten der Antihitlerkoalition, vor den Partisanen und den Kämpferinnen und Kämpfern des illegalen Widerstandes, vor Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeitern und Wehrmachtsdeserteuren.
Wir verneigen uns ehrfurchtsvoll vor den Opfern, die in den Konzentrationslagern, Zuchthäusern und Folterkammern litten und ermordetet wurden.
Wir verneigen uns vor jenen, die diese Hölle überlebten und sich hoffnungsvoll am 19. April auf dem Apellplatz in Buchenwald zusammenfanden, um den Schwur zu leisten:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“
Doch der Schwur von Buchenwald ist bis heute nicht erfüllt. Und die überlebenden KZ-Häftlinge, die ihn damals leisteten, werden immer weniger.
Erst am Mittwoch gaben wir unserem Freund und Kameraden, Günter Pappenheim, in Zeuthen das letzte Geleit und trugen ihn zu Grabe. In einem seiner letzten Texte, forderte Günter die nachfolgende Generation auf:

• Lasst nicht zu, dass vergessen wird, was in Buchenwald geschah und ordnet es ein in das Furchtbare, was durch die Hitlerfaschisten in der Welt angerichtet wurde.
• Erinnert und bedenkt die Apriltage 1945 in Buchenwald.
• Erinnert und bewahrt den Schwur von Buchenwald, denn es gibt keine Alternative zu einer Welt des Friedens, der Freiheit und ohne Faschismus, wenn die Menschheit
überleben will.
• Scheut keine Mühe, wenn es darum geht, den antifaschistischen Konsens immer
neu, auch international, zu beleben.

Es ist nun an uns das Vermächtnis des Schwurs von Buchenwald zu bewahren und weiterzutragen. Denn das sind wir den gemordeten Opfern und deren Angehörigen schuldig.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“

„Tränen allein genügen nicht“

22. April 2021

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  • Text von Brigitte Dornheim

„Tränen allein genügen nicht“ lautet der Titel der Autobiographie von Stefan J. Zweig. Als in der DDR geprägte Antifaschistin kenne ich natürlich die Geschichte um das Buchenwaldkind. Als eine solche treiben mich seit Jahren Befürchtungen und Fragen umher. Was wird bleiben vom zutiefst antifaschistischen Charakter unseres sozialistischen Vaterlandes DDR? Was, wenn die Letzten gegangen sind, die dieses Land und seine humanistischen Grundpfeiler bewusst mitgestalteten?

Aus diesem Grund griff ich dankbar den Vorschlag meines Freundes aus Hessen auf, auch in Sonneberg, so wie er es in Wetzlar erlebte, einen „Weg der Erinnerung“ zu gestalten. Da er, ehemals Geschichtslehrer an einer westdeutschen Realschule, den bundesdeutschen Geschichtsunterricht mit seinen gravierenden Mängeln, was das Wissen und Können der Schüler zum Thema Faschismus anbetrifft, besser beurteilen kann als ich, die ich Geschichte an einer DDR-POS unterrichtete, ließ ich mich von der Notwendigkeit überzeugen, einen Arbeitskreis „Antifaschistische Gedenkkultur Sonneberg“ zu gründen.

Mitte des Jahres 2019 war es uns gelungen, eine erste Zusammenkunft dieses Arbeitskreises zu organisieren, zu dem 20 antifaschistisch gesinnte Bürger unterschiedlichen Alters aus verschiedenen Parteien und Organisationen und auch politisch Nichtorganisierte gehören. Wir setzten uns das Ziel, einen „Weg der Erinnerung und Mahnung“ zu schaffen, der sowohl Stätten der Verfolgung und des Widerstandes, als auch Stätten der faschistischen Täter in den Jahren 1933 bis 1945 umfasst.

Dieser Weg gliedert sich in 5 Rundwege, die geschlossen oder auch einzeln begangen werden können. Eine Broschüre und ein auch digitalisierter Flyer sollen als Begleitmaterial zur Verfügung stehen. Zu den wichtigsten Stationen des Weges gehören auch zwei Stolpersteine, ein existierender für die ermordete Jüdin Rosa Bibo und der im Sommer dieses Jahres zu verlegende für den ermordeten Kommunisten und Widerstandskämpfer Adolf Wicklein, meinen Großvater. Hieran zeigt sich auch, dass wir die Opfergruppen in ihrer ganzen Breite erfassen möchten.

Hauptanliegen unserer Arbeit ist es, die Bürger, vor allem junge Menschen, von Folgendem zu überzeugen: Dies geschah mitten in eurer Heimatstadt, mitten unter den Sonnebergern, zu denen vielleicht eure Großeltern und Urgroßeltern gehörten – und es kann wieder geschehen, wenn wir es zulassen. Nun hat die Pandemie unsere Planung durcheinandergebracht, denn seit einem Jahr können wir nur digital zusammenarbeiten. Dennoch wurden die Rundwege konzipiert und ein Redaktionskollektiv gebildet, das den Broschürentext, der von zwei Mitgliedern des Arbeitskreises erstellt wurde, überarbeitet. Wir schrieben auch ein Vorwort, in dem es unter anderem heißt:

Geschrieben wurde diese Broschüre

nicht nur, um das Wissen der Sonneberger Leser über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte zu erweitern, sondern auch, um ihnen eine Handlungsorientierung zu geben, die es ihnen ermöglicht zu erkunden, wie sich dieses historische Kapitel in ihrer Heimatstadt abspielte.

Geschrieben wurde diese Broschüre,

denn Tränen allein genügen nicht.

Gedanken zum Jahrestag der Befreiung des Außenlagers Laura

13. April 2021

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  • Text von Jürgen Powollik

Kameraden und Kameradinnen,

heute, am Tag der Befreiung des Außenlagers Laura, waren vier Mitglieder der Basisgruppe Saalfeld-Rudolstadt des TVVdN-BdA dort. Es war kalt und windig. Kein weiterer Mensch weit und breit. Am Gedenkstein für die Opfer des Grauens lagen noch verblichene Gestecke aus dem letzten Jahr. Wir fanden einen Besen und hatten einen Kanister mit Wasser dabei. So konnte dieser Ort an diesem Tag nicht bleiben. Der Müll wurde weggeräumt und die Grabtafel geputzt. Erst dann legten wir die mitgebrachten Blumen nieder und gedachten der Opfern.

Jürgen Powollik beim Säubern der Gedenkstelle

Später diskutierten wir über den derzeitigen Zustand in unserem Land und in Europa. Reicht es, dass Politiker, wie am 11. April diesen Jahres, an die grausame Zeit von damals erinnern, dass sie an Kranzschleifen ohne Publikum auf dem Appellplatz im KZ Buchenwald zupfen, aber nichts gegen die weiter aufkommende Gefahr des wieder erstarkenden Faschismus tun? Von der r2g–Regierung in Thüringen hatte ich mir in den letzten Jahren zu dieser Problematik mehr versprochen.

Noch braucht das Kapital die Braunen nicht, doch es bildet für spätere Zeiten eine schlagkräftige Reserve. Am 11. April in Buchenwald und heute in Laura, im Fröhlichen Tal, waren wir nur Wenige. Nicht nur die Zeitzeugen werden weniger, auch die politisch aufgeklärten Menschen sind in der Minderzahl. Der Schoß ist fruchtbar noch. An Kranzschleifen zupfen bringt nichts.

76. Jahrestag der Selbstbefreiung von Buchenwald

11. April 2021

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Gedenkworte auf dem Apellplatz des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald von Elke Pudszuhn, Ehrenvorsitzende des TVVdN/BdA:

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

an dieser Stelle im Lager fand am 19. April 1945 der Appell der 21.000 überlebenden Häftlinge des Konzentrationslagers statt. Mein Vater war nicht dabei, er wurde im November auf wundersame Weise durch die Hilfe von Genossen entlassen um „für den Endsieg Waffen zu produzieren“ in seinem Heimatort Zella-Mehlis.

Auch war er nur kurze Zeit in diesem  Lager, hatte schon KZ Bad Sulza und Gefängnis Ichtershausen hinter sich 1933 – 1936 und illegal in der Neubauer – Poser – Organisation Widerstand geleistet. Magnus Poser war hier im Krankenbau am 24. Juli seinen Verletzungen erlegen.

War es Verrat oder Willkür nach dem missglückten Versuch, Hitler zu töten, mit den Massenverhaftungen am 20. August 1944, bei der auch er verhaftet wurde? Am 22. August 1944 erhält er die Häftlingsnummer 81706 und kommt in den  Block 42.

Im Lager ist ein ständiges kommen und gehen. An der Häftlingsnummer ist erkennbar, dass es im August über 82.000 waren und bei seiner Entlassung im November 60.587 Häftlinge. Vier Tage vor seiner Einlieferung, hatte die SS Ernst Thälmann hinterrücks erschossen und am 24. August wird das Lager und die Werkstätten bombardiert und Rudolf Breitscheid kommt ums Leben.

23 Jahre nach dem Ende von Faschismus und Krieg bei einer Veteranen-reise in die Sowjetunion zu Freunden nach Kiew trifft er Semjon Suchulutzki – es ist der sowjetische Kriegsgefangene aus dem Block 45, gleich neben seinem Block 42, der mit ihm in den Deutschen Aufrüstungswerken arbeitete und dem er nachts von seinem Brot etwas abgegeben hat. Die Freundschaft zu Semjon und seiner Familie blieb bis 1990, dann verliert sich seine Spur.

2004 begegnet mir erstmals bei der Gedenkveranstaltung hier auf dem Ettersberg Viktor Wyscheslawsky, den ich zu Zeitzeugengesprächen mit nach Suhl genommen hatte. Dabei erfahre ich, dass er als Zwangsarbeiter in Suhl gearbeitet hat und durch Verrat erst ins Suhler Gefängnis, dann am 6. Juni 1944  ins KZ Buchenwald und im November 1944 nach Ohrdruf  verbracht wird. Auf dem Todesmarsch in Richtung Buchenwald auf zwei Stöcken gestützt und krank erreicht er das Lager kurz vor dem 11. April. In den ersten Monaten des Jahres 1945 kommen fast täglich Transporte, besonders aus Auschwitz, im Lager an und gleichzeitig werden Häftlinge auf Transport oder in den Apriltagen auf Todesmärsche gebracht oder kommen von Todesmärschen an.

Viktor ist am 19. April beim Appell dabei. Er  hat uns folgende Botschaft mit auf dem Weg gegeben:

„Liebe Freunde, die Zukunft gehört Ihnen und Sie müssen gegen Faschismus, Nazismus und Terrorismus kämpfen, damit es auf dieser Erdkugel niemals wieder Krieg gibt! Sie müssen den Frieden bewahren! Aber die Gefahr existiert wie früher auch jetzt…“

Viktor Wyscheslawsky

Beim Schwur, den die 21.000 Überlebenden hier am 19. April 1945 leisteten, ist auch der junge 19-jährige Günter Pappenheim, der mit 17 Jahren hier eingeliefert wird, dabei.

Mit seiner Mutter Frieda und seinem Bruder Kurt war ich im Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR eng verbunden, Günter lebte damals schon in Zeuthen und weit weg, sodass ich ihm erst nach 1990 persönlich kennenlernte im Kampf gegen die Gleichstellung/Gleichmachung von KZ und Internierungslager. Dank ehemaliger politischer Häftlinge, wie Kurt Goldstein, Emil Carlebach und Ernst Jende – um nur 3 Namen zu nennen – konnte das verhindert werden. Günter ist mir in den vergangenen Jahren durch gemeinsame Arbeit in der LAG stets Vorbild gewesen im Kampf um die Verwirklichung des Schwurs, der ja auch heute noch nicht verwirklicht ist, und um dessen Verwirklichung wir Nachgeborenen der Buchenwalder weiter kämpfen müssen, deshalb sind wir hier und erneuern den Schwur.

Nun ist Günter am 31.März verstorben und wir stehen hier erstmals ohne ihm an dieser Gedenkplatte. Die Trauer ist grenzenlos, ich kann es auch schlecht in Worte fassen, aber eins ist gewiss, er möchte nicht, dass wir nur um ihn trauern, gönnen wir ihm die Ruhe. Ich höre ihn sagen:

Tragt den Schwur, den wir geleistet haben, weiter. Berichtet über den Kampf eurer Väter und Mütter gegen den Faschismus, zeigt ihnen das Lager mit all seinen Grausamkeiten und vergesst nicht, dass es trotzdem Solidarität, Zusammenhalt und humanitäre Hilfe gab, die vielen Häftlingen das Leben retten konnte, so wie mir.

In diesem Sinne, bitte ich um eine Schweigeminute.

Elke Pudszuhn auf dem Appelplatz in Buchenwald am 11. April 2021

Rodeln auf Gräbern Ermordeter

15. Januar 2021

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Der Thüringer Verband der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten (TVVdN/BdA) verurteilt Pietätlosigkeit der Wintersportler:innen auf dem Ettersberg.

Im Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar und in seinen 139 Außenlagern waren zwischen 1937 und 1945 fast 280.000 Menschen inhaftiert, darunter viele Widerstandskämpfer:innen, Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas. Am Ende des zweiten Weltkrieges war Buchenwald das größte KZ im Deutschen Reich. Über 56.000 wurden hier grausam ermordet, erschossen, erhängt, zertrampelt, erschlagen, erstickt, ersäuft, vergiftet, abgespritzt, sind verhungert, starben durch medizinische Experimente und Auszehrung. In einer eigens errichteten Tötungsanlage wurden allein über 8.000 sowjetische Kriegsgefangene erschossen.

Wie die Gedenkstätte Buchenwald am 14. Januar diesen Jahres mitteilte, fahren in diesem Winter die Menschen zwischen den Gräbern Schlitten. Am Wochenende seien dort sämtliche Parkplätze belegt gewesen; nicht von Gästen der Gedenkstätte, sondern von Wintersportler:innen. Einige nutzten sogar die trichterförmigen Massengräber als Rodelhang.

„Sportliche Aktivitäten auf dem Boden, der mit so viel Blut getränkt ist, ist vollkommen pietätlos und nicht hinnehmbar“, empört sich die Landesvorsitzende des TVVdN/BdA, Kati Engel. „Die ist nicht nur eine Störung der Totenruhe, sondern tritt das Vermächtnis der Opfer und Überlebenden mit den Füßen.“

Der neue Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, sieht die schwindende Sensibilität der Menschen zu diesem Ort im zeitlichen Abstand begründet. Doch haben die Einwohner:innen von Weimar und seinem Umland schon jeher eine seltsame Beziehung zum Ettersberg und dem darauf befindlichen KZ. So blieb der Ettersberg auch zwischen 1937 und 1945 ein beliebtes Ausflugsziel. Auch damals ging die Weimarer Bevölkerung hier Skilaufen und Rodeln. Die Lagerleitung begrüßte das und war um weitere Freizeitangebote bemüht. So öffnete im Mai 1940 sogar ein Wildtiergehege, welches die SS im Lagergelände errichtet hatte.*

„Die traurige Wahrheit ist also, dass es seit Beginn des Konzentrationslagers Buchenwald nicht unerheblich viele Menschen um den Ettersberg gab und gibt, die mit diesem Ort und seiner Geschichte so gar kein Problem zu haben scheinen.“

*aus Schley, Jens (1999). Nachbar Buchenwald: Die Stadt Weimar und ihr Konzentrationslager 1937-1945 (1. Aufl.). Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag, S. 103 f.

Anhörung „Staatsziel Antifaschismus“ im Thüringer Landtag

18. Dezember 2020

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Zur heutigen Anhörung im Verfassungsausschuss des Thüringer Landtages begrüßte der TVVdN/BdA  die, von den Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN vorgeschlagene, Ergänzung in Artikel 1 der Thüringer Verfassung: „Die Abwehr der Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, der Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems und rassistischer, antisemitischer oder menschenfeindlicher Aktivitäten ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung aller.“

„Wir erinnern uns noch gut an die damaligen Diskussionen im noch jungen Thüringer Landtag, welche die Entstehung unserer Thüringer Verfassung begleiteten“, resümiert die stellvertretende Landesvorsitzende, Karin Schrappe. Die LL-PDS, forderte da bereits, Antifaschismus als Staatsziel mit aufzunehmen. Der Abgeordnete Dr. Roland Hahnemann, mahnte damals in einer Plenarrede an: „Indem Sie aber auf Antifaschismus als direktes Prinzip verzichten, begünstigen Sie die verheerenden Entwicklungen der Gegenwart.“ „Rückblickend auf die körperlichen Übergriffe, Morde und Pogrome, verübt von Neonazis zu Beginn der 90er-Jahre, war dies – aus heutiger Sicht – ein fast prophetisch anmutender Ausspruch“, so Schrappe weiter. „Dass nun diese geforderte Ergänzung der Thüringer Verfassung in greifbare Nähe gerückt scheint, erfreut uns sehr.“

„Millionenfaches Leid, das bis in die Gegenwart hinein psychisch und physisch in Einzelschicksalen weiterlebt, darf nicht vergessen oder verdrängt werden. Es mahnt zur Wachsamkeit gegenüber der Gefahr, dass Intoleranz, Preisgabe des Solidaritätsgedankens, Ausgrenzung Andersdenkender und Anderslebender, Ausländerhass, Antisemitismus und nationale Überheblichkeit wachsen“, mahnt die Ehrenvorsitzende des TVVdN/Bda, Elke Pudszuhn. „Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die längst überfällige Verankerung der „Abwehr der Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, der Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems und rassistischer, antisemitischer oder menschenfeindlicher Aktivitäten“ in der Thüringer Verfassung. Es gehört zu den traurigen Befunden unserer Zeit, dass der Schwur von Buchenwald noch immer nicht erfüllt wurde. Dies unterstreicht die besondere Dringlichkeit von Antifaschismus als Staatsziel.“

„Leider fehlt es bislang an evidenten Untersuchungen, wie neue Staatsziele Gesetzgebung und Verwaltungshandeln beeinflussen. Da sie aufgrund der inhaltlichen Offenheit und Unbestimmtheit nicht justiziabel sind, werden sie in der Rechtsprechung wohl kaum eine Rolle spielen. Der zu erwartende praktische Nutzen wird wohl eher gering sein“, gibt die Landesvorsitzende des TVVdN/BdA, Kati Engel, zu bedenken. „Es handelt sich bei der Einführung neuer Staatsziele also um reine Symbolpolitik. Aber auch ein symbolischer Akt ist ein Akt, der bewusstseinsbildend wirken kann – ein Akt des Schutzes der auf der Straße angefeindeten Minderheiten, ein Akt der Wiedergutmachung mit den Opfern und den Nachkommen der Verfolgten, Gefolterten und Ermordeten und ein Akt der Dankbarkeit für all die, welche sich Tag für Tag für diese Menschen einsetzen und stark machen. Wir sollten nicht vergessen, dass auch einem symbolischen Akt tiefe Bedeutung innewohnen kann.“

Dennoch warnt der TVVdN/BdA davor, diese Symbolpolitik ohne Untersetzung zu lassen. Sie würde so nur Erwartungen wecken, die nicht erfüllt werden. Ein Bundesland solle sich nicht mit einer scheinbar progressiven Verfassungsbestimmung schmücken, während sich an den realen Lebensbedingungen der Betroffenen nichts ändert. „Denn dann besteht die Gefahr, dass der Begriff „Antifaschismus“ und alle, die diesen Begriff mit Leben füllen, gänzlich entwertet werden“, erläutert Kati Engel.

Aus der Geschichte lernen: Antifaschismus ist gemeinnützig!

14. November 2020

Die Berliner Finanzbehörden haben noch immer der Vereinigung der Nazi-Verfolgten den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Wir kämpfen dafür, der VVN-BdA diesen Status wieder anzuerkennen und das mit breiter Unterstützung – zum Beispiel durch Prof. Dr. Ludwig Elm, Jena:


„Im Mai 1950 wies Bundeskanzler Adenauer den Bundesminister des Inneren an, jede staatliche Unterstützung für die VVN zu beenden und damit deren Ausgrenzung einzuleiten. Das richtete sich gegen die in allen Bundesländern seit 1945 entstandenen Verbände, die sich im März 1947 zur größten, parteienübergreifenden Organisation der Verfolgten und Opfer der faschistischen Diktatur im Nachkriegsdeutschland zusammengeschlossen hatten. In seiner umfänglichen ersten Regierungserklärung vom 20. September 1949 hatte der CDU-Politiker kein Wort über das Schicksal der NS-Opfer, ihre Situation sowie über Schuldfragen und Wiedergutmachung verloren. Im Sinne seiner rechtsgerichteten Vier-Parteien-Koalition stand die Fürsorge für das Personal des Verbrecherstaates einschließlich der Mehrheit der NS-Täter im Vordergrund. Dieses Anliegen wurde mit Gründung der BRD unverzüglich verfolgt. Die VVN und weitere Gruppen standen einer der Restauration dienenden zynischen Schlussstrichpolitik störend im Weg.
In der Folgezeit exponierten sich Politiker, Juristen und leitende Beamte mit faschistischer Vergangenheit – darunter die Bundesminister Gerhard Schröder (CDU) und Theodor Oberländer  – mit antikommunistischen Vorwänden an den unablässigen Bemühungen, die VVN zu verbieten oder zumindest in ihren Chancen zur politischen und öffentlichen Wirksamkeit wesentlich zu beeinträchtigen. Dass 2020 solche Bestrebungen seit siebzig Jahren andauern, weist auf politisch-ideologische Grundpositionen der konservativen Führungskreise sowie auf Ursachen und Triebkräfte der alarmierenden Zunahme von Rechtsentwicklungen in diesem Land. Mit dem entschiedenen Eintreten für die unbehinderte, öffentliche  und förderungswürdige Tätigkeit der VVN werden elementare Gebote demokratischer Erfordernisse und Leitbilder – insbesondere des Antifaschismus und Pazifismus –  verfolgt.“


Bitte unterstützt unsere Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/die-vvn-bda-muss-gemeinnuetzig-bleiben?fbclid=IwAR2kq4PFHqQS5euY1dToi-IzATUmObFd3WIOAaIP8OKnFftLYi6MnzdKplU

Nachruf auf Christine Brand

8. November 2020

Christine Brand (links im Bild) zum 75. Jahrestag der Ermordung Theo Neubauers Bad Tabarz 2020

Als Delegierte zur LDK am 17.10.2020 gewählt, schrieb sie mir, dem Unterzeichner, am 15.10. sie könne nicht antreten, da sie im Krankenhaus liege – das Herz. Das Hin und Her der Wünsche unterschlage ich hier. Jedenfalls rief sie mich an, berichtete, sie habe die Kameraden angeschrieben, pünktlich die Beiträge zu entrichten und – typisch Christine – fragte, ob denn der Lichterlauf in Gotha in diesem Jahr stattfinden könne trotz Corona. Mein „Halte Dich wacker, Doris und Bernd werden schon teilnehmen, fall nicht abgesagt wird!“ entgegnete sie mit: „Gut so, Du Dich erst recht“! Christine sorgte sich eher um mein Befinden, da ich ebenfalls gerade kränkele. Dann schrieb sie: „Morgen Herzkatheder, bekomme einen Stent.“ Danach riss die Verbindung ab….

Ach, Christine! Die unauffällig Engagierte, die sachliche, zuverlässige Geschäftsführerin unserer kleinen Basisgruppe der VVN/BdA Gotha, ist gegangen. Sie hinterlässt einen ordentlich geführten Haushalt. Christine, Du wirst fehlen. Unserer Basisgruppe, dem Bündnis gegen rechte Gewalt, unserer Partei, uns allen persönlich. Wir fühlen mit denen, welche Du zurückgelassen hast und werden uns Deiner erinnern.

Basisgruppe Kreis Gotha der TVVdN/BdA
Martin Mürb als Sprecher

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